ROBOT – Wer hatte die Idee? Kilfitt oder Berning? Zwei Ahnenforscher kommen gemeinsam zu neuen Erkenntnissen …

von Herbert Börger und Jürgen Bahr, im April, 2021

ZUSAMMENFASSUNG und NACHTRAG eingefügt am 19. Mai 2021

Wir haben eine etwas langatmige Erzählform (einen Dialog) für unsere Recherchen zum Thema gewählt. Deswegen ist es sicher sinnvoll hier eine kurze ZUSAMMENFASSUNG voran zu schicken (wir danken dem einen ungeduldigen Leser, der uns auf den Mangel hinwies – den wir hiermit versuchen zu beseitigen!):

Es gibt zu wenige völlig sichere primäre Quellen zu dem Thema, um die Frage „Kilfitt oder Berning“ mit absolut letzter Sicherheit zu entscheiden. Aber: wir haben systematisch alle verfügbaren Quellen analysiert und sind zu dem Schluss gekommen,

dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Heinz Kilfitt bereits den integrierten Federmotor in seiner Kamera vorgesehen hatte, als er mit H.-H. Berning zusammen traf.

Dabei handelt es sich sozusagen um einen „Indizienbeweis“.

„Der Robot“ – die Kultkamera der 1930er und 1940-60er Jahre, die sogar noch bis 2001 gebaut wurde und als Prinzip bis heute in anderem technischen Gewand fortlebt: als Verkehrs- oder Banken- bzw. Raumüberwachungs-System (heute Teil von Jenoptik).

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Fig. 1: aus dem Berning-Familienalbum – Bild und Text zeigen in den frühen 50er Jahren den ersten Einsatz eines Robot in einem Polizeiwagen für die Jagd nach Geschwindigkeits-Sündern! – Quelle: freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Jürgen Bahr.

Für alle, denen der Name der Kamera („Der Robot“) nichts sagt: es war die erste im Kameragehäuse „motorisierte“ Kleinbildkamera (Format 24mm x 24mm) die ein tüftelnder (gelernter!) Uhrmacher namens Heinz Kilfitt unmittelbar nach dem Erscheinen der Leica (ab 1926) erdacht und manuell bis zum Prototypen 1931 realisiert hatte. Die Kamera konnte schließlich ab 1935 tatsächlich in großen Stückzahlen geliefert werden. Wenn Sie jetzt 9 Jahre von der Idee zum lieferfertigen Produkt lange finden: Barnack hatte für die Leica 12 Jahre gebraucht!

Die Geschichte der Entstehung dieser Kamera wurde mehrfach erzählt (siehe Literaturhinweise) und basiert grundlegend darauf, dass der „Tüftler“ Kilfitt einen Fabrikantensohn mit mittlerer Reife namens Hans-Heinrich Berning traf, der in der Idee dieser Kamera seine Erfüllung als Unternehmer fand und deswegen nicht zum Playboy werden musste …

Wie um alle derartige Kult-Artikel mit starker Fan-Gemeinde rankten und ranken sich Legenden und Histörchen um die Erfinder und Macher.

Eine der hervorstechendsten Legenden war beim „ROBOT“ jene, dass Heinz Kilfitt die Kamera zwar grundlegend konstruiert hatte, der Unternehmer H.-H. Berning aber die Idee für den Federmotor gehabt haben soll, der ja das eigentliche Unterscheidungs- und Erfolgsmerkmal dieser Kamera gegenüber anderen Kameras war.

Diese Legende ist das Thema dieses Artikels.

Es wird hier ein sehr „spezielles“ Thema im Zusammenhang mit einer großartigen und erfolgreichen Kameraentwicklung besprochen: hatte der Kamerakonstrukteur Kilfitt die (ursprüngliche) Idee für den Federmotor-Antrieb in der ROBOT-Kamera – oder war das sein Geschäftspartner, Geldgeber und zukünftiger ROBOT-Unternehmer H.-H. Berning? Verschiedene Quellen behaupten ausdrücklich das eine oder das andere.

Das klingt jetzt sehr engstirnig – vor dem Hintergrund einer darauf folgenden 85-jährigen erfolgreichen Unternehmens-Geschichte (bis heute).

Wenn man allerdings bedenkt, dass genau diese Eigenschaft als erste Kleinbildkamera mit integriertem Motorantrieb ihren nachhaltigen Erfolg ausmachte, ist der Punkt schon etwas prominenter.

SCHNITT!

Vorgeschichte, erzählt von Herbert Börger: Am 30. April 2018 wies mich mein heutiger Co-Autor Jürgen Bahr in dem von uns beiden genutzten Ahnenforschungs-Portal darauf hin, dass in meinem Stammbaum das Datum einer Person, die wir beide in unseren Stammbäumen führen, fehlerhaft sei. Aus der Tatsache, dass wir diese EINE Person BEIDE  im Stammbaum haben, folgte sogleich der logische Schluss, dass wir IRGENDWIE verwandt sein müssten. Wir telefonierten kurzerhand miteinander und versprachen uns Aufklärung. Das Gespräch war sehr lebhaft und wir kamen auf unser Leben zu sprechen. Ich erwähnte, dass ich mich intensiv mit Fotografie und Technik befasse. Darauf erwähnte Jürgen Bahr, dass er mit der Gründer-Familie der ROBOT-Herstellerfirma verwandt sei. Es machte da noch nicht „Klick“ in meinem fotoaffinen Synapsen – aber es blieb hängen. (Ich steckte damals gerade sehr tief in meiner Angénieux-Forschungsphase.)

Wie es im Leben oft geht: trotz großem Interesse aneinander trat eine längere Kommunikationspause ein. Bis zu dem Zeitpunkt, als ich in meine „Kilfitt-Forschungsphase“ eintrat – und da machte es mit Verzögerung sehr heftig „Klick“: was hatte Jürgen Bahr da erzählt? Die ab 1934/35 als ROBOT an den Markt gebrachte Kamera hatte doch Heinz Kilfitt entwickelt! Sozusagen das erste Gesellenstück des begnadeten Konstrukteurs!  Im Dezember 2020 nahm ich den Kontakt spontan wieder auf – räumlich behindert durch die COVID-19-Pandemie, denn sonst hätten wir uns sicher sofort getroffen – wir sind ja beide Ruheständler.

Es stellte sich heraus: Jürgen Bahr ist der Schwiegersohn des ROBOT-Gründers Hans-Heinrich Berning (H.-H.B.) – seine Frau war die älteste Tochter des erfolgreichen Unternehmers, der die von Heinz Kilfitt (H.K.) erfundene Kamera mit dem legendären Federwerk-Motor (für Verschluss-Spannung und Filmtransport) Markt- und Produktions-reif machte und bis in die 1960er Jahre das Unternehmen dahin entwickelte, dass es auch nach seinem Ausscheiden und durch die Phase des „Zusammenbruchs“ der westdeutschen Kameraindustrie um 1970 herum nachhaltig und erfolgreich Bestand hatte – bis heute. (Worin sich mir übrigens eine starke Analogie zum Unternehmer Pierre Angénieux aufdrängte – und ja: beide Firmen sind heute immer noch erfolgreiche und eigenständige Abteilungen in großen Konzernen!).

Die Eigenschaften des Produkts, die Entwicklung der ROBOT-Kameras, die unglaublich breite Modellpalette und der Weg des Unternehmens ist ausführlich und detailliert dokumentiert in Büchern, Zeitschriftenartikeln, Websites etc. Da besteht für Informationshungrige wirklich kein Mangel.

Mir fiel allerdings bei meinen detaillierten Recherchen auf, dass es gegensätzliche Darstellungen in einem ganz besonders wichtigen Punkt gibt:

Folgt man den Darstellungen der „Kilfitt-Seite“ (z.B. das Kilfitt-Buch von PONT oder der 75-Jahre Jubiläums-Firmenschrift der Firma robot visual systems) so bestand Kilfitts Erfindungsleistung im vollständigen Kamerakonzept der Kleinbildkamera mit allen wichtigen Merkmalen einschließlich Federmotorantrieb – auch wenn unbestritten ist, dass der Prototyp, den Heinz Kilfitt bis 1931/32 erstellt hatte, tatsächlich den Federmotor noch nicht enthielt. (… und nicht einmal das auf der Leipziger Messe 1934 vorgestellte Vorserienmodell enthielt das Federwerk!)

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Fig. 2a: Der Ur-Robot – und tatsächlich hier mit dem Federmotor ab 1935 geliefert. Später wurde er dann zur Unterscheidung „ROBOT I“ genannt. Eine solche Bezeichnung findet sich auf diesen Kameras natürlich nicht – Quelle: fotosaurier – Repro eines Firmenprospektes
Einige Fotos von HHB - Robot-Doppelportrait
Fig 2b: Der ROBOT II (Blitzkontakt auf Vorderseite und geänderter Sucher – nicht schwenkbar) mit zwei verschiedenen Standardobjektiven – Quelle: Archiv-Bild im Besitz von Jürgen Bahr

Folgt man der ROBOT-Berning-Seite (z.B. dem Buch von Hans Grahner oder der ROBOT-Website von Michael Ensel und anderen) so hatte H.K. nur die Basis-Kleinbildkamera erfunden und als die beiden (Kilfitt/Berning) 1932 zusammen kamen, soll H.-H.B. die entscheidende Idee des Filmtransportes mittels Federmotor beigetragen haben.

Allerdings ist die Darstellung auf der Kilfitt-Seite der Website www.robot-camera.de widersprüchlich. Dort steht wörtlich in aufeinanderfolgenden Sätzen Folgendes:

(Zitat) „Das Kleinbildformat hatte neue Möglichkeiten eröffnet, mit einer Uhrwerkkamera – so Kilfitts Überlegung – könnten Aufnahmen in ausgesprochen dynamischem Stil gemacht werden. Die Idee für den Robot war geboren. (Absatz) Mit Hilfe von H.H. Berning, der Geld und die Idee mit einem Federwerkmotor beisteuerte, wie schon in der Geschichte zum Robot näher erläutert, gelang Kilfitt die Entwicklung seiner automatischen Kleinbildkamera im Format 24×24 mm …“

Hier stoßen also die Gegensätze schon innerhalb einer einzelnen Quelle aufeinander.

Das Problem ist: trotz intensivster Suche vieler kluger Köpfe war bisher keine primäre Quelle zu diesem Thema gefunden worden – nur Behauptungen, indirekte Zitate und Meinungen.

Mich als Ingenieur und ehemaligen Unternehmer störte sehr bald, dass die Hypothese der Berning-Idee für das Federwerk unlogisch erschien – aber dazu später.

Der Leser kann sich sicher vorstellen, dass das Treffen eines Familienmitgliedes des Unternehmers H.-H.B. in Person von Jürgen Bahr in mir Hoffnung aufkeimen ließ … findet sich die Primär-Quelle doch noch, mit der die Frage endgültig entschieden werden kann?

Der Dialog zu dem Thema zwischen uns beiden fand pandemiebedingt per e-Mail-Austausch statt. Diesen weitläufigen Austausch von Informationen, Dokumenten und Recherche-Ergebnissen haben mein Co-Autor Jürgen Bahr („JB„) und ich („HB„) hier gemeinsam in ein „virtuelles Gespräch“ zusammengefasst. Die Inhalte des Dialogs sind authentisch – allerdings liegen zwischen den einzelnen Teilen des Dialogs in Wirklichkeit oft mehrere Wochen der Recherche und des Studiums von Unterlagen.

„Wer hatte die Idee?“ – ein Dialog.

HB: Lieber Herr Bahr, ich bin auf der Suche nach primären Informationen zu der Frage, wer hatte die Idee zum fest in das Gehäuse integrierten Federmotor bei der Entwicklung der „ROBOT“-Kamera? In der Literatur ist das Thema umstritten. Sie sind ein Schwiegersohn von Hans-Heinrich Berning. Was hat man darüber in der Familie erzählt? Kann es irgendwo noch Original-Unterlagen geben, aus denen hervorgeht, wie es tatsächlich war? Was wurde in der Familie Berning über Heinz Kilfitt erzählt?

JB: Meine Frau, Eva-Maria Berning, wurde geboren ein Jahr nach dem Beginn der Zusammenarbeit zwischen HHB, wie ihr Vater in der Familie genannt wurde, und Herrn Kilfitt. der ja die Firma wieder verließ als sie fünf Jahre alt war. Das ist keine gute Voraussetzung für persönliche Erinnerungen zu Firmenangelegenheiten. Leider ist meine Frau schon 2016 verstorben. Auch der einzige Berning-Sohn, Peter Hans-Heinrich Berning ist nun gerade in 2020 auch gestorben. Er war Ingenieur und der Einzige, der nach dem Verkauf der Firma (1963/64) noch eine Zeit lang in der Firma gearbeitet hatte.

Als die Firma nach dem Krieg (1946/47) praktisch aus dem Nichts wieder aufgebaut wurde, war meine Frau ein Teenager – die Menschen hatten andere Sorgen, als längst überholte Vorkriegsgeschichten zu besprechen: man blickte nach vorne! Und das waren ja fast abenteuerliche Verhältnisse, in der alliiert verwalteten Tri-Zone – es gab keinen „Deutschen Staat“ – eine Firma wieder aufzubauen. Seit 1941 war fast nur noch für die deutsche Luftwaffe gefertigt worden (Kameras, die in Jagdflugzeuge und Bomber eingebaut wurden um die Einsatzerfolge zu dokumentieren). Die gesamte Fertigung war aus dem von den Bombardierungen bedroten Rheinland in die Oberlausitz bei Zittau verlegt worden. Restbestände der Luftwaffen-RoBoT’s waren zunächst das einzige, was man hatte. Die Fertigungsmaschinen waren in den Wirren des Kriegsendes verloren gegangen. Dennoch gelang bereits 1947 ein Neustart der Fertigung – unter anderem, weil die Firmengebäude in Düsseldorf (ohne die Maschinen) wenig beschädigt waren. Wer blickt in dieser Situation zurück?

Die Firma strebte schnell auf große Erfolge zu – das folgende Bild zeigt die gute Stimmung dabei Anfang der 1950er Jahre:

Bundespräsident Heuss -Fotokina 1952 bei RoBoT Kopie
Fig. 3: Bundespräsident Theodor Heuss besucht den ROBOT-Photokina-Stand (Aufnahme wahrscheinlich am 4. April 1954 entstanden) – auf dem Bild links von Heuss: H.-H. Berning, der seiner Tochter Eva-Maria (der späteren Ehefrau von Jürgen Bahr) die Hand auf die Schulter legt. – Quelle: Originalfoto im Besitz von Jürgen Bahr (mit freundlicher Genehmigung)

Von meiner Frau (Eva-Maria Berning) und meiner Schwiegermutter wurde – wenn sich das Gespräch über RoBoT entwickelteüber Herrn Kilfitt in der Familie nie gesprochen. Es ist meines Wissens heute niemand mehr da, den man diesbezüglich als Zeitzeugen fragen könnte. Interessant finde ich auch, dass nach Sichtung von Fotos aus der Gründungszeit der Firma, Herr Kilfitt nicht auf einem einzigen Foto zu endecken ist. Er schwebt sozusagen wie ein Geist darüber.

Die überlieferten Aussprüche aus der Familie bewegten sich meist in einem gewissen „anekdotischen“ Rahmen – wie zum Beispiel HHB’s Lieblings-Spruch: „Der „RoBoTist die einzige männliche Kamera der Welt“ – das scheint zu stimmen, ist aber relevant und vermittelbar nur in der deutschen Sprache, also der Sprache in der „die Kamera“ weiblich und „der Roboter“ männlich ist – im angelsächsischen Sprachraum sind die alle sächlich … und damit etwas umständlich zu vermitteln.

Ich habe mich immer sehr für Robot interessiert und auch Kontakte zu den Robot-Sammlern und -Forschern gepflegt. Aber letztlich bin ich davon ausgegangen, dass die bei den Herren Hans Grahner, Dr. Beltermann und Peter Lausch beschriebene Version – nämlich dass mein Schwiegervater die entscheidende Idee beigetragen haben soll – stimmt.

HB: Damit haben Sie meiner ursprünglichen Hoffnung auf neue Quellen nun einen sehr schnellen Garaus bereitet. Gibt es irgendwo noch Dokumente, die man heranziehen könnte – haben Sie Kontakte zu der heutigen Nachfolgefirma?

JB: Nachdem mein Schwiegervater die Firma verkauft hatte (1963/64) ging das Unternehmen ja 35 Jahre lang durch mehrere Zwischenbesitzer-Hände, ehe es 1999 im Jenoptik-Konzern landete. Die Archive sind irgendwann vernichtet worden – oder eben immer ein Stück mehr untergegangen. Das hat man versucht zu erforschen. Es soll nichts mehr da sein.

Meine Frau und ich – und auch noch andere Familienmitglieder (unter anderen ihre jüngste Schwester Veronika nebst Ehemann sowie einer meiner Söhne) – waren zur 75-Jahr-Feier der Firma Robot (nunmehr Tochter-Firma von Jenoptik in Monheim am Rhein) eingeladen. Das war unser letzter Kontakt. Meine Frau wurde da im Laufe der Feier über Ihre Erinnerungen an die Firma befragt. Vielleicht gibt es darüber noch eine Aufzeichnung bei der Firma?

Im Jahr 2002 tauchten bei der Auflösung von Räumen der OBECO ( moderne Kurzfassung des früheren Firmen-Namens „Otto-Berning & Co.“ des Vaters von HHB und Großvaters meiner Frau) einige Unterlagen aus der Anfangszeit der Robot-Firma auf. Die habe ich hier und will diese gerne einmal sichten.

Was veranlasst Sie denn, an der Geschichte mit der Federwerks-Idee zu zweifeln?

HB: Ich bin Physiker und Ingenieur. Zweifeln – sogar an eigenen Erkenntnissen – ist unsere zweite Natur in diesem Berufsfeld. Man braucht Beweise. Erschwerend ist hier die Lage: die Geschichte erscheint mir nicht logisch:

Wenn Sie ein gelernter Uhrmacher wären (wie es Herr Kilfitt war – und schon sein Vater war Uhrmacher!) – bräuchten Sie dann einen technisch nicht ausgebildeten Laien, der Sie auf die Idee bringt, dass ein FEDERWERK ein technisches Gerät antreiben könnte? Klar: es ist nicht ausgeschlossen, dass Berning der war, der auf diese Idee kam – aber es erscheint nicht besonders wahrscheinlich.

Ich liste hier kurz die Reihe der Fakten auf, aufgrund derer es mir unwahrscheinlich vorkommt, dass die Federwerks-Idee ursprünglich von Berning beziehungsweise NICHT von Kilfitt stammte:

  1. Die eben genannte Tatsache, dass Kilfitt gelernter Uhrmacher war … alle Uhren jener Zeit wurden von Federwerken angetrieben. Fünf Jahre hatte er alleine an der Kamera getüftelt.
  2. Bekannt und nicht bestritten ist, dass das Merkmal „Schnelligkeit“ bei seiner angestrebten Erfindung von Anfang an ganz im Vordergrund stand. Auch wurde schon ganz am Anfang der Begriff „automatisch“ verwendet – und die Belichtungsautomatik konnte damals noch nicht gemeint gewesen sein.
  3. Kilfitt arbeitete vor dem Kontakt zu Berning in einer Firma in Berlin, in der Fotoapparate, aber auch Filmkameras verkauft wurden, während das Medium Film geradezu einen Boom erlebte – auch Barnacks Leica war bei der Wahl des 35mm-Filmmateriales ja von den verfügbaren Film-Grundmaterialien (Meterware) ausgegangen. Die dort zu erwartenden riesigen Produktions-Mengen verhießen ein günstiges Filmmaterial für die Kleinbildkamera. Kilfitt ging aber mehrere Schritte weiter: Er verwendete für seinen 1931er Prototypen einen Verschluss-Typ, wie er für Filmkameras eingesetzt wurde: den Rotationsverschluss. Alle Filmkameras jener Zeit (nachdem niemand mehr die Handkurbel drehen mochte …) hatten aber als Antrieb des Filmstreifens einen FEDERMOTOR. Es liegt mehr als nahe, dass der bei Kilfitt auch VORGESEHEN war. Vor allem aber hatte der Prototyp auch schon die sehr komplizierte mechanische Steuerung für einen „Freilauf“ des Filmbandes beim Weitertransport fast ohne Reibung. Das hätte man für einen Weitertransport des Filmes von Hand bekanntlich nicht gebraucht. Auch war die Koppelung von Weitertransport und Verschluss-Aufzug schon detailliert vorgesehen, was zu diesem Zeitpunkt (vor 1931) noch nicht bei allen Fotoapparaten selbstverständlich war.
  4. Stellen wir uns das Zusammentreffen der beiden Männer H.-H. Berning und Heinz Kilfitt vor: Berning war von Kilfitts Idee so begeistert, dass er auch Vater (Otto) und Onkel (Hermann – der gleichzeitig sein Schwiegervater war) leicht von dem Projekt überzeugen konnte – das waren gestandene Geschäftsleute, die sicher nicht die Angewohnheit hatten, ihr Geld für Spinnereien in einer Branche, die ihnen fremd war, aus dem Fenster zu werfen. Was hätte an einer Kamera, an der im Grunde gegenüber der Konkurrenz nur etwas WEGGELASSEN war – kein Entfernungsmesser, kein Quer- und Hoch-Format (gut: etwas kompakter war der Apparat) so begeisternd sein können, dass ein sehr junger Mann ohne Fachkenntnisse sein Schicksal und ein rheinländischer Geschäftsmann sein Geld hinein steckt? Das kann ich mir nicht vorstellen.
  5. Last but not least: tatsächlich war Kilfitts Prototyp als Kleinbildkamera im Vergleich sehr kompakt – und wenn man den Prototyp von 1931 mit dem „ROBOT I“ (der damals natürlich nur ROBOT hieß …) mit dem Federmotor darin vergleicht, haben diese Kameragehäuse exakt die gleichen Dimensionen. Ich kann mir schwer vorstellen, dass es gelingen konnte in einem ohnehin schon zierlichen Gehäuse NACHTRÄGLICH einen – auch tatsächlich anforderungsgerechten – Federmotor (samt ergonomisch funktionsgerechtem Aufzugsrad!) zu integrieren, ohne einen Millimeter mehr in Länge-Höhe-Breite zu brauchen. Diesen letzten Punkt führt auch besonders P.-H. Pont in seinem Kilfitt-Buch an.

Ehrlich gesagt habe ich mich schon sehr amüsiert, wie hier das Klischee so zutraf, wie man es im Allgemeinen erwarten würde:

Die „ROBOT/Berning-Fraktion“ (Sammler, Forscher und auch die Wikipedia-Berning-Seite) vertritt die Legende der Berning-Erfindung beim Federmotor; die „Kilfitt-Fraktion“ (Sammler, Forscher und Autoren) vertritt den Standpunkt der Kilfitt-Gesamterfindung.

Während es im Web unterschiedliche Lesarten dazu gibt, hat HHB’s  jüngste Tochter Veronika in ihrer privatschriftlichen Familien-Chronik über die Entstehung der Firma RoBoT dieses Detail nicht erwähnt.

Ich finde das so wunderbar exemplarisch, dass es mich reizt nachzusehen, ob man das grundsätzlich klären könnte. Da keimte mit einem Kontak zur Unternehmer-Familie natürlich Hoffnung auf.

Herr Bahr, was hat man denn in der Familie zu dem Punkt erzählt?

JB: In der Familie galt wohl weitgehend die Auffassung, dass die Federwerks-Idee von HHB stammte – vielleicht war das auch von den Sammler-Forschern beeinflusst. Und man hörte es wahrscheinlich auch gerne. Warum sollte man das hinterfragen – klingt doch schön aus Sicht der Nachfahren! Ich kann mich aber an keine einzige familieninterne Aussage erinnern, dass HHB tatsächlich irgendwann gesagt haben soll, dass in Wahrheit ER die Idee mit dem Federmotor hatte.

HB: Da wir offensichtlich bisher noch keine Primär-Quelle zu dieser Frage besitzen, werde ich mich jetzt erst einmal auf die Kilfitt/Berning-Patente zum ROBOT konzentrieren: das sind schließlich per se Primär-Dokumente, die sich nicht nachträglich manipulieren lassen. Das Patentwesen ist in Europa schließlich seit über 150 Jahren sehr wohl geordnet und dokumentiert. Ich habe da auch genug Erfahrung, um das selbst recherchieren zu können und bin gespannt, ob wir daraus etwas schließen können.

Es wäre schön, wenn Sie an den im Jahr 2002 aufgetauchten Dokumenten dran bleiben könnten.

SCHNITT – so wurde es dann gemacht: beide Autoren haben erst einmal ihre Recherche-Hausaufgaben gemacht.

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Fig 4: Pause beim Recherchieren der ROBOT-Unterlagen – Quelle: fotosaurier

Gut sechs Wochen später schickte ich Jürgen Bahr das Ergebnis meiner Patentrecherche zu, zunächst zusammenfassend in Form einer Tabelle:

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Fig. 5: Alle Kilfitt/Berning-Patente laut DEPATISnet, die sich zwischen 1931 und 1938 auf den ROBOT bezogen haben. In den Spalten Erfinder und Anmelder habe ich strikt die Angaben aus der dortigen Bibliographie verwendet – source: fotosaurier

Und so ging der Autoren-Dialog weiter:

HB: Hallo, Herr Bahr. Ich habe meine Patentrecherche abgeschlossen. Dazu habe ich mich des digitalen Deutschen Patent-Portals „DEPATISnet“, des Europäischen „espacenet“ und auch direkt der nationalen „Canadian Patent Database“ bedient. Dabei habe ich sowohl alle Berning-Patente als auch alle Kilfitt-Patente gesichtet, die sich von 1931 bis 1938 (Ausscheiden von Kilfitt aus der Firma Berning) auf die Kamera bezogen haben. Die Tabelle habe ich Ihnen inzwischen zugeschickt.

JB: Das habe ich mir angesehen und ich habe eine Frage: warum sind bei den englischen Patentanmeldungen keine Erfinder genannt?

HB: Das liegt offensichtlich an dem – zumindest damaligen – britischen Patentsystem, das meines Wissens erst ab 1977 international harmonisiert wurde. Kilfitt selbst ist in der Bibliographie als Anmelder (und damit Patentinhaber) benannt. Im GB-Patent erklärte sich damals der Erfinder persönlich im Text der Patentsbeschreibung (Patent-Specification), wie im folgenden Bild zu sehen ist:

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Fig. 6: Titel-Ausschnitt aus dem zweiten Britischen Patent – Quelle: Europäisches Patentportal „espacenet“

Daher müsste bei den GB-Patenten, die beide mit dem Text „I, Heinz Kilfitt, …“ beginnen – mit dem Unterschied, dass im älteren Patent GB 411 347 die Scheibenstraße in Düsseldorf als Adresse genannt ist – ebenfalls Kilfitt als ERFINDER genannt werden.

Ich will hier kurz dieses Recherche-Ergebnis aus meiner Sicht interpretieren:

Vor 1931 hat Heinz Kilfitt nach meiner Recherche keine Patente für die Kamera angemeldet. Ich kenne auch keine Aussagen, mit welchen Ankündigungen der endgültigen Ausstattung Kilfitt den anderen Kamerabauern den Prototyp angeboten hat.

Alle deutschen Patentanmeldungen (6) wurden von Fa. Otto-Berning & Co, Schwelm, (in dieser väterlichen Firma war das RoBoT-Entwicklungs-Büro in Düsseldorf, Scheiben-Str. eine externe Abteilung) angemeldet und nennen Heinz Kilfitt als alleinigen Erfinder. Patentrechtlich (es ist ja ein Persönlichkeitsrecht) ist diese Tatsache sehr wichtig. Man kann ja auch mehrere Erfinder nennen.

Bis Februar 1934 (also bis kurz vor der öffentlichen Vorstellung des ROBOT mit Motorantrieb auf der Messe und in Zeitungsanzeigen) taucht das Federwerk nicht EXPLIZIT in den (deutschen und internationalen) Patenten auf.

Die Nennung des Erfinders Heinz Kilfitt als alleinigen Erfinder stärkt Kilfitts rechtliche Position gegenüber der Firma Berning. Auch wenn H.-H. Berning selbst noch in diesen Dingen unerfahren gewesen sein sollte: für den Geschäftsbetrieb und das Kaufmännische haben Vater (Otto) und Onkel (Hermann) ja klugerweise anfangs eine schützende Hülle über den jungen Firmengründer gespannt – und beide Senioren waren in ihren Firmen erfahren in Patentdingen, die sicher auch von einer Anwaltskanzlei unterstützt und beraten waren. Immerhin ging es hier um viel Geld!

Ab Februar 1934 wird das Federwerk in den Patenten offen gelegt. Das ist völlig im üblichen Rahmen: man vermeidet die Beschreibung einer Kern-Erfindung, die die Erfindung für den Markt besonders interessant macht, bevor das Produkt sowieso öffentlich vorgestellt oder geliefert wird. Der Grund: ab der „Offenlegung“ der Patentschrift (1 Jahr nach der Anmeldung) kann die Konkurrenz „mitlesen“ und gegebenenfalls eigene „Umgehungslösungen“ suchen oder finden, um die Neuheit zu kontern.

Diese Alleinerfinder-Position Kilfitts bleibt bei den Patenten ab 14./15.2.1934, in denen das Federwerk offen gelegt wurde, uneingeschränkt erhalten. Wäre die Basis-Idee des Federwerks tatsächlich primär von H.-H. Berning gewesen, wäre es eine erstaunliche Schwächung der rechtlichen Position der EIGENEN Firma gegenüber Kilfitt gewesen, dann NICHT Berning als Mit-Erfinder der Kamera zu nennen. Das geschah aber nicht.

Das würde auch dann gelten, wenn die „Idee“ des Federwerk-Filmtransportes in einer mündlichen Besprechung initiativ als „Idee“ durch Berning eingeflossen wäre. dabei muss man ja sagen: als Anmelder hatte die Firma Berning die Macht und die Kontrolle über den Inhalt und die Rechte aus der Anmeldung.

Also ist aus den Grund-Aspekten des Patentrechtes allein nahezu sicher davon aus- zugehen, dass Kilfitt das Federwerk seinerseits bereits im Basis-Paket der Kamera-Ausstattung vorgesehen hatte. Aber eine absoluter Beweis ist auch dies nicht, denn:

Selbstverständlich konnten die rechtlich-wirtschaftlichen Verhältnisse zwischen Kilfitt und der Firma Berning bzw. dem Gründer H.-H. Berning VERTRAGLICH ZUSÄTZLICH und anders geregelt sein – durch Anstellungsverträge, gesonderte Verträge über das geistige Eigentum und dessen Nutzung und auch durch den Gesellschaftervertrag der Fa. Berning, da ja H. K. auch Gesellschafter (40%) gewesen sein soll.

Auf privatschriftlicher Vertragsbasis könnte also dennoch im Grunde alles offen sein – ohne Kenntnis dieser Verträge kann man das Thema rechtlich-wirtschaftlich nicht abschließend beurteilen.

Trotz dieser Einschränkung hat nach der Patent-Lage – unter Annahme eines allgemein üblichen Geschäftsgebarens der Beteiligtenmit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Heinz Kilfitt die Federmotor-Idee gehabt.

JB: Welche Rolle können die ausländischen Patentanmeldungen in diesem Zusammenhang spielen?

HB: Zur Frage „Wer hat die Idee gehabt“ spielen die aus meiner Sicht zunächst keine Rolle.

Ich habe meine Schlussfolgerung aus den deutschen Patentanmeldungen gezogen, weil diese fast bei allen ausländischen Anmeldungen auch als Priorität genannt und eingetragen sind – mit Ausnahme des Kanadischen Patentes. Das spielt – wie das Schweizerische Patent – wahrscheinlich eine Sonderrolle, mit der ich mich hier aber gar nicht befassen möchte. Diese beiden Anmeldungen haben vermutlich mit den ursprünglichen Erfinderrechten gar nichts zu tun – die waren ja jeweils längst dokumentiert.

JB: Welche Rolle könnten sie gespielt haben?

HB: Das wird jetzt rein spekulativ! Die Kanadische Anmeldung hat Herr Kilfitt im September 1934 auf sich als Anmelder/Patentinhaber UND Erfinder getätigt. Davon muss Berning nicht unbedingt etwas gewusst haben. Sie enthält übrigens die umfangreichste und detaillierteste Beschreibung der Kamera sogar bis hin zu Zubehördetails!

Und schon davor, im Juli 1934, hatte Firma Berning eine Anmeldung in der Schweiz getätigt, ohne Kilfitt als Erfinder zu nennen – bzw. mit der Nennung der Firma als Erfinder. Sowas ist ja rechtlich bei uns heute auch möglich – besonders bei Arbeitnehmer-Erfindungen. Die Erfindung MUSS ja an die Firma übertragen werden, wenn die sie beansprucht.

Der Interpretations-Spielraum ist da groß. Es könnten quasi „Rückfall-Patentanmeldungen“ sein, die jeweils für den Fall gemacht wurden, dass in der Geschäftsbeziehung der Partner etwas schief ginge. Es kann genauso gut zwischen den Partnern vereinbart und abgesprochen gewesen sein. Ich habe keine Informationen darüber gefunden.

JB: Ihre Schlüsse aus der Patentlage wirken überzeugend auf mich. Ich bin bisher noch nicht zu einer gründlichen Auswertung des kleinen Aktenfundes aus Schwelm im Jahr 2002 gekommen. Ich sende Ihnen die Papiere jetzt einfach zu und wir besprechen dann gemeinsam, ob sich daraus neue Aspekte ergeben.

SCHNITT – so wurde es gemacht und eine Woche später meldete ich mich nach der interessanten Lektüre der Unterlagen, die Herr Bahr mir geschickt hatte wieder:

HB: Der Original-Aktenfund aus dem Jahr 1934 lieferte leider keine neuen Erkenntnisse in Bezug auf die Frage der Federmotor-Idee. Das interessanteste Fundstück in dem Konvolut, das Sie mir zugeschickt haben, ist diesbezüglich die Kopie des Interviews mit H.-H. Berning im „Südkurier“ (Konstanz) vom 14.11.1981, 17 Jahre nach seinem Rückzug  aus und Verkauf der Firma ROBOT. Diese Interview kannte ich bisher nicht.

In diesem Zeitungsartikel, der das Interview summarisch zusammenfasst und nicht im Interview-Wortlaut wiedergibt, findet sich folgende Passage über die Entstehung des ROBOT (Sie hatten mir ja die Stelle extra angestrichen):

Interview-Südkurier-14.11.1981

Fig. 7: Ausschnitt aus dem Bericht über das H.-H. Berning-Interview am 14.11.1981 im Südkurier, Konstanz – Quelle: fotosaurier , Repro nach einer Kopie der Zeitung

Mir erscheint das hier fast grotesk, dass Herr Berning hier den Namen des „Tüftlers“ – nämlich Kilfitt, der die Grundlage seines Unternehmer-Wohlstandes geschaffen hatte – unterdrückt, ihm aber in der Sache selbst alle Ehre gibt: die Erfindung einer Kamera, die Filme selbständig transportiert.

Ich gehe einmal davon aus, dass dieser Text von HHB inhaltlich autorisiert erschienen ist. Wie sehen Sie das?

JB: HHB war alles andere als naiv, er galt als sehr guter, gewiefter – ja sogar sehr cleverer – Geschäftsmann. Unter dieser Annahme, dass dieser Artikel im Südkurier im Detail autorisiert war, ist das für mich persönlich das „letzte Puzzlestück“ in dieser Recherche, das das Bild vervollständigt:

Fazit – Ja, Kilfitt hatte von Anfang an die Idee des Federmotors im „ROBOT“.

Hätte H.-H. Berning ausgerechnet die Idee für das WICHTIGSTE Merkmal für den Erfolg des Produktes selbst gehabt – er hätte diesen Umstand historisch nicht einfach so untergehen und Spekulationen anheim fallen lassen … Und – mal ehrlich – wäre Kilfitts Leistung ohne dieses Hauptmerkmal 40% der Anteile an der Firma Wert gewesen (die H.K. ja gehabt haben soll!)?

Ich habe auch noch einmal gründlich nachgedacht: aber es scheint keine lebende Personen mehr zu geben, die man darüber hinaus heute noch fragen könnte. Haben Sie einmal versucht, in der Kilfitt-Familie nach Spuren zu suchen?

HB: Gut, dass Sie das ansprechen, Herr Bahr. Nein, ich habe das meinerseits nicht mehr versucht. Der Grund: Patrice-Hervé Pont, der ja ein kundiger und begnadeter Rechercheur in der Foto-Historie ist, hatte das anscheinend für sein KILFITT-Buch, das 2010 in französischer Sprache erschien, versucht. Er schreibt auf Seite 6 des Buches, dass die Familie Kilfitt leider nicht zur Bereicherung seines Buches („enrichir la documentation“) beitragen wollte. Wir haben meiner Meinung nach nicht das Recht, Privatpersonen wiederholt in einer solchen Angelegenheit zu kontaktieren, wenn bekannt ist, dass sie das nicht wünschen.

Allerdings: Wenn jemand dieses liest, der zu dem Thema etwas beizutragen hat, dann würde ich mich freuen, wenn er sich melden würde: entweder über die Kommentar-Funktion oder die Kontaktadresse im Impressum.

JB: Das ist ein gutes Schlusswort.

HB: Dann sind wir am Ende dieser Reise angekommen, die wir ein halbes Jahr lang gemeinsam gemacht haben. Es war spannend – und ich habe dabei viele Erkenntnisse gewonnen und es sind so viele neue Fragen aufgekommen, dass ich sicher noch einmal auf das Lebenswerk von H.-H. Berning aus anderen Blickwinkeln zurück kommen werde.

Berlin/Radolfzell, im April 2021

NACHTRAG:

Nachdem wir unsere Geschichte veröffentlicht hatten, haben wir die klassischen ROBOT-Chronisten in Deutschland (Hans Grahner, Michael Ensel und Dr. Beltermann) und auch weitere Foto-Historica-Experten nach ihrer Meinung dazu befragt (mit Pont und  Bellon haben wir leider noch keinen Kontakt herstellen können).

Der entschiedenste Einwand kam danach von Hans Grahner, der uns mitteilte, er könne in unseren Argumenten keinen endgültigen „Beweis“ sehen. An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass wir in unserem Text selbst festgestellt haben, dass trotz der Stärke der gefundenen Indizien dies kein „endgültiger Beweis“ sein könne und vielleicht nie sein werde, solange keine neuen primären Quellen auftauchen. Also nennen wir es ab jetzt einen „Indizienbeweis“.

Herr Grahner wiederholte die bekannten Argumente für seine Sicht der Dinge, und er machte außerdem per Mail an uns eine überraschende Mitteilung: er habe 1985 im Zuge der Recherchen für sein erstes ROBOT-Buch mit Herrn H.-H. Berning ein Interview geführt, in dessen Verlauf Herr Berning festgestellt habe, dass er die entscheidende Idee des Federwerks beigetragen habe – Herr Kilfitt habe nur die Konstruktion dazu durchgeführt. Die Idee alleine sei eben nicht patentfähig (stimmt!), deshalb sei Herr Kilfitt patentrechtlich der alleinige Erfinder (dieser Standpunkt ist im gegebenen Zusammenhang allerdings nicht korrekt – eine Begründung steht am Ende dieses Textes).

Der genannte Zeitpunkt für das Interview war ein Jahr vor H.-H. Bernings Tod und vier Jahre vor dem Erscheinen des ersten Buchs von Hans Grahner (ROBOT – Geschichte und Technik, Aachen, 1989). Nach erneuter sorgfältigster Überprüfung dieses Buches und auch des zweiten, 2002 erschienenen, Sammler-Buches stellen wir fest, dass ein solches Interview in beiden Büchern nicht als Quelle genannt wird. Das ist bedauerlich, denn es wäre bei der extrem dünnen Primär-Quellen-Situation in diesem Falle für alle Interessierten eine wichtige Information gewesen, die wir nun – quasi beiläufig – 36 Jahre später erhalten.

Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass wir Herrn Grahners neue Information für unglaubwürdig halten – es ist nur so, dass wir Herrn Bernings Aussage nach dem umfangreichen Indizien-Check für wahrscheinlich unzutreffend halten, nachdem Herr Berning vier Jahre vorher (14.11.1981) im Interview mit dem Süd-Kurier sich entgegengesetzt zitieren ließ – und der Inhalt dieses Interviews damals auch zeitnah veröffentlicht wurde.

Nun haben wir auch noch zusätzlich das Interview zum 80sten Geburtstag von Heinz Kilfitt im Münchner Merkur zu berücksichtigen, in dem Kilfitt die Idee des Motorantriebs klar für sich beansprucht, und das die ROBOT-Nachfolgefirma (robot visual systems im Jenoptik-Konzern) in der Jubiläums-Schrift „Den Augenblick festhalten“ zum 75sten ROBOT-Firmen-Jubiläum 2008 zitiert mit dem Satz: „Es wäre schön, … wenn es eine Kamera gäbe, die man beim Fotografieren am Auge lassen könnte, ohne sie jedes Mal beim Filmtransport wegnehmen zu müssen.“

In dieser internen Firmen-Denkschrift (ohne ISBN-Nr. – das 135seitige Buch liegt uns vor) wird die Entstehung der Kamera sehr sachlich und konsequent so beschrieben, dass damit Heinz Kilfitts vollständiges Konzept einer motorisierten Kamera umgesetzt wurde. Wir sehen darin einen ähnlich sachlich-logischen Umgang mit der Materie, wie wir ihn uns auf die Fahne geschrieben haben.

Um es noch einmal zusammen zu fassen: es sind heute insgesamt 4 Interviews bzw. Zeitungsartikel zwischen 1978 und 1985 bekannt. Zwei Interviews mit Heinz Kilfitt (Münchner Merkur 1978 und Salzburger Nachrichten 1980), in denen dieser die Idee des Federmotors für sich beansprucht, was durch die gesamte uns bekannte sachliche „Indizienlage“ gestützt wird. Von zwei Interviews mit H.-H. Berning (Südkurier, 1978 und mit H. Grahner, 1985) spricht dieser im ersteren Kilfitt die Federwerks-Idee zu (dass der zusammenfassende Zeitungstext das Gespräch korrekt wiedergibt und autorisiert war ist ebenso wahrscheinlich wie die Möglichkeit, dass er im Wortlaut nicht autorisiert gewesen wäre) – im zweiten Interview, das Hans Grahner kürzlich als seine Quelle offenbarte, soll er die Idee für sich beansprucht haben. Eine Autorisierung dafür seitens H.-H..Berning ist auch hier nicht vorliegend bekannt. Zu diesem Zeitpunkt war Heinz Kilfitt bereits verstorben – das Erscheinen des ersten Buches von H. Grahner (1989) haben beide Herren nicht erlebt.

Tatsächlich müssen wir wohl damit leben, dass über den „Indizienbeweis“ und Wahrscheinlichkeits-Aussagen hinaus keine absolut sichere  Aussage mehr möglich sein wird. Glücklicherweise gibt es aber zwei Lebenswerke, die in ihrer jeweiligen Art und Größe davon unbeeinflusst Bestand haben werden:

  • das Lebenswerk des begnadeten Konstrukteurs Heinz Kilfitt, das bei Weitem nicht nur aus ROBOT bestand,
  • und das Lebenswerk des erfolgreichen Unternehmers H.-H. Berning, das in großer Nachhaltigkeit bis heute fortgeführt wurde und Bestand hat.

Leider muss man aus dem Verlauf der bekannten Ereignisse schließen, dass das gemeinsame Werk am Anfang beider Laufbahnen die Menschen nicht dauerhaft zu Freunden werden ließ. „Unkomplizierte Charaktere“ waren wohl beide nicht – aber das spielt hier keine Rolle, beweist in der Sache nichts – und geht uns auch nichts an …

Das Literaturverzeichnis wurde dem neuen Stand entsprechend bereits ergänzt und korrigiert, wo es nicht korrekt war.

P.S. – zur Rolle des Erfinders im patentrechtlichen Sinne:

Ein Patent ist ein persönliches Recht (Privileg). Es muss einerseits eine Neuheit in seiner Art darstellen („Die Idee“) und andererseits realisierbar sein: die offenbarte „Konstruktion oder das Verfahren“ müssen ausreichend nachvollziehbar dargelegt werden.

Richtig ist, dass eine bloße „Idee“ – ohne die Anleitung zu Ihrer Realisierung – nicht patentfähig ist. Die schönste Konstruktion nützt jedoch auch nichts, wenn die entsprechende „Idee der Neuheit“ nicht dahinter steht – also die Idee, die aus dem besonderen Konstrukt ein patentwürdiges Ding macht. Es ist also falsch, dass nur die Konstrukteurs-Tätigkeit als Erfinder-Eigenschaft zählt.

Es ist absolut unglaubwürdig, dass ein Unternehmer auf seinen anteiligen Erfinderstatus verzichten würde, da er damit seine rechtliche und wirtschaftliche Position dramatisch schwächen oder verschlechtern würde. Wer täte das – vor allem, wenn er selbst Anmelder und Inhaber des Patents ist. Das können wir uns – speziell bei den gestandenen Kaufleuten der Berning-Familie – nur schwer vorstellen.

Literaturverzeichnis:

  1. Verschiedene persönliche Mitteilungen durch Herrn Jürgen Bahr von Dez. 2020 bis April 2021.
  2. Website „www.robot-camera.de“ von Michael Ensel
  3. Hans Grahner, ROBOT – Geschichte und Technik, Eigenverlag, 1. Auflage, Aachen 1989 (ohne ISBN-Nr.)
  4. Hans Grahner, Robot – Das Sammlerbuch, Eigenverlag, 1. Auflage 2002, Aachen (ohne ISBN-Nr.)
  5. Artikel von Dr. Beltermann in Photografica Cabinett, https://www.cabinett.de/heft-7/
  6. Blog-Artikel „Robot Royal III“ – 2. Teil in Website „KAMERAS“ von Peter Lausch, https://www.lausch41.com/robotroyal2.htm
  7. Patrice-Hervé-Pont, Kilfitt / Zoomar, 2010, Club Niepce Lumière, Ecully (F), ISBN 978-2-953-1991-4-7
  8. Patentliteratur aus den digitalen Archiven DEPATISnet, espacenet und Canadian Patent Databases
  9. Artikel im Münchner Merkur zum 80. Geburtstag von Heinz Kilfitt, 1978 – zitiert in Nr. 13 dieses Literaturverzeichnisses
  10. Artikel über Heinz Kilfitt in Sonderbeilage der Salzburger Nachrichten 31.3.1980
  11. Interview mit H.-H. Berning, Südkurier, Konstanz, vom 14.11.1981
  12. Mitteilung von Herrn Grahner im Mai 2021 über sein Interview im Jahr 1985 mit H.-H. Berning – wörtlicher Inhalt dieses Interviews ist nicht bekannt.
  13. Den Augenblick festhalten / Capture the Moment – Firmenschrift zum 75. Robot-Jubiläum der ROBOT-Nachfolgefirma robot visual systems, Monheim, 2002, Redaktion Sabine Preller (ohne ISBN-Nr.)

Bemerkung: es gibt natürlich viel mehr Literatur zum Thema ROBOT (siehe Literaturverzeichnis im Buch von Herrn Grahner), ich habe hier nur angegeben, welche Literatur beziehungweise Mitteilungen wir heran gezogen haben, um diesen Text zu verfassen.

 

Katadioptrische Foto-Objektive – Teil III

Teil III: Katadioptrische Foto-Objektive von 1946 – heute.

(Teil I finden Sie hierTeil II hier.)

Die Erkenntnisse aus Teil II führen zu dem Schluß, dass für die ab den 1950er Jahren aufkommenden katadioptrischen Foto-Objektive aus den vielfältigen, bereits für Astro-Anwendungen bekannten „katadioptrischen Dialyten“ (Brachymediale) abgeleitet wurden, von denen einige schon bis zu 150 Jahre bekannt waren und unter denen Maksutov eine spezielle Variante ist.

Eine kurze Geschichte der Katadioptrischen Foto-Objektive:

Mit dem starken Aufkommen der Spiegel-Linsen-Objektive in den 1960-70er Jahren bildeten sich spezielle Konstruktionsmerkmale heraus, die in dieser Form bei astronomischen Fernrohren meist nicht zu finden sind:

a) Außer der Tatsache, dass die Foto-Optiken sehr robust und hermetisch dicht gebaut sind, wurde zunehmend auf die Bohrung im Primärspiegel verzichtet! Das bedeutet, dass die Strahlen, die vom Sekundär-Spiegel zurück geworfen werden, nicht mehr durch eine Öffnung im Hauptspiegel zur Kamera bzw. Filmebene gelangen, sondern durch einen unverspiegelten zentralen Bereich der Spiegelfläche durch das Glas des Spiegelkörpers treten.

Das bedeutet, dass der Innenbereich der Optik zwischen den beiden Spiegeln noch besser hermetisch abgeschlossen ist. Es bedeutet gleichzeitig, dass der zentrale Bereich des Spiegelkörpers auch noch als brechendes Linsenelement im Strahlengang einbezogen ist. Dieser Bereich bildet dann oft zusammen mit 1-3 weiteren Linsen den Sub-Apertur-Korrektor im Strahlengang nach dem Sekundärspiegel. Er muss aus Linsen-Glas allerhöchster Güte bestehen, da dieser Bereich des Hauptspiegels – im Falle eines Mangin-Spiegels – dreimal von jedem Lichtstrahl durchlaufen wird!

b) Immer häufiger treten nach 1965 Mangin-Spiegel auf, was ja der Grundkonfiguration des Hamilton-Teleskopes entspricht. Zuerst finden sich Primärspiegel als Mangin-Typ, bald auch beim Sekundärspiegel bzw. in beiden Positionen gleichzeitig oder auch nur beim Sekundärspiegel. Wie wir oben gesehen haben (Hamilton-Teleskop) ist der Mangin-Spiegel bereits ein Grund-Element des kadadioptrischen Dialyts – für sich genommen ist er meines Wissens nie als Teleskop oder Astrokamera verwendet worden.

Bild 1: Mangin-Spiegel – Quelle: Wikipedia – Autor: not known – https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Neben der Wirkung als Element der optischen Rechnung liefert der Mangin-Spiegel zwei weitere Vorteile für das Foto-Objektiv:

  • Die an der polierten Glasfläche anliegende reflektierende Spiegeloberfläche ist in der Mikro-Oberflächenstruktur wesentlich glatter als eine aufgedampfte Aluminium-Schicht auf ihrer „offenen“ Seite, die auch noch mit einer transparenten Schutzschicht (meistens Si02) überzogen werden muss.
  • Die Verspiegelungs-Schicht ist gegen den Zutritt von korrosiven Gasen, Feuchtigkeit etc. perfekt geschützt und behält langfristig seine uneingeschränkte Wirkung. Dies alleine wäre schon ein ausreicheder Grund, um diese Bauweise zu bevorzugen!

c) Foto-Objektive katadioptrischer Bauart benötigen zur Abschirmung gegen Falschlicht rohrförmige Blenden um den Zentralen Strahlen-Durchlass im Zentrum des Primärspiegels (nach vorne in Richtung des Sekundärspiegels) bzw. um den Sekundärspiegel herum (in Richtung Hauptspiegel), um die Kamera vor einfallendem Falschlicht zu wchützen. Auf dem folgenden Linsenschnitt sind die Tubus-Blenden und das Problem des Falschlichtes gut zu erkennen:

OM500_f:8

Bild 2: Linsenschnitt mit Abschirmtubus-Blenden gegen „Falschlicht“am Olympus Zuiko Reflex 500mm f/8 (in diesem Bild ist der Lichteintritt rechts!) – Quelle: Olympus Produktbeschreibungs- und Spezifikationsdatenblatt zum Objektiv

An diesem Bild kann man gut erkennen, dass ohne diese beiden Blenden Lichtstrahlen durch die ringförmige Apertur-Öffnung (rechts) direkt und ohne Reflexion an den Spiegeln auf das Zentrum des Hauptspielgels und damit auch in die Kamera gelangen könnten! Eine Gegenlichtblende vor dem Objektiv kann das nur dann sicher verhindern, wenn die Gegenlichtblende extrem lang wäre – was natürlich dem Objektiv-Konzept widerspricht …

Die Existenz dieser rohrförmigen Blenden im zentralen Bereich hat Auswirkungen auf die sog. Obstruktion – also die Abschattung der Lichtstrahlen im Zentrum der Apertur:

Bei Strahlenbündeln, die vom Bildfeldrand schräg in die Optik einfallen, werfen die Tubusblenden einen Schatten auf den Hauptspiegel. In der Folge ist nicht mehr die gesamte Ringförmige Spiegelfläche „aktiv“. Sie ist in der Breite des Blendentubus unterbrochen. Man kann das bei geeigneter Bildstruktur an den außerfokalen Apertur-Ringbildern von Lichtreflexen sehen, wie folgend in dem absichtlich unscharf gestellten Aufnahme des Hausdaches gut zu erkennen ist:

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Bild 3:Tubusblenden-Schatten“ bei den außerfokalen Unschärferingen im Randbereich mit dem Olympus OM Zuiko Reflex 500mm f/8: unten-links und -rechts sieht man die kleinen „Packman-Ringe“ – die Öffnung weist zum Bildzentrum hin. – Quelle: fotosaurier

d) Die große Korrektor-Linse in der Lichteintritts-Apertur dient immer auch gleichzeitig als Tragstruktur für den Sekundärspiegel. Wie im Teil I ausführlich beschrieben wurde, führt die „Obstruktion“ durch den Sekundärspiegel im Strahlengang zu einer Kontrastverringerung des Beugungsbildes 1. Ordnung. Aber wenigstens werden durch das Fehlen von Tragspinnen die dadurch verursachten Beugungs-Spikes in den Bildern einer Punktlichtquelle vermieden, wie sie beim normalen Newton und Cassegrain auftreten.

Meine persönlichen MEILENSTEINE katadioptrischer Foto-Objektive (CATs):

Vorbemerkung: die Einordnung bestimmter Objektive als „Meilenstein“, die ich hier vornehme, ist rein SUBJEKTIV und basiert auf meinem – begrenzten – Wissen bzw. meiner Erfahrung. Mir ist bewusst, dass andere Fotografen und Beobachter zu etwas anderen Schlüssen kommen können, die ihrer eigenen Erfahrung entsprechen.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal ins Gedächtnis rufen, dass in den 1950er bis 70er Jahren gegenüber „langen“ Teleobjektiven (>200mm Brennweite) nicht nur Kompaktheit (Baulänge) und geringes Gewicht für die „CATs“ sprach, sondern vor allem die Freiheit von Farbfehlern (Chromatische Aberration, „CA“) – im Verhältnis zum Preis! Es gab zwar in den 1970ern bereits die ersten farbreinen Telekanonen mit Fluorid-Linsen – aber zu einem extrem hohen Preis unter Verwendung eines sehr empfindlichen Materials. Den Preis konnten/wollten sich sicher wenige Amateurfotografen leisten. So bin ich überzeugt, dass die „Blüte“ der katadioptrischen Teleobjektive hauptsächlich vom Amateur-Segment getragen war.

Darüber, warum die katadioptrische Objektivbauform fast völlig wieder verschwunden ist,  werde ich am Ende dieses Artikels einige (begründete) Vermutungen anstellen.

Hier nun mein kurzer Überblick auf die Zeitskala und die Entstehungsgeschichte geschlossener katadioptrischer Systeme, die als Foto-Objektive geeignet waren oder spezifisch dafür gebaut wurden.

Ich führe hier auch die mir bekannte Grundlagenentwicklungen ebenfalls im Zeitstrahl mit auf, damit die zeitliche Dimension mit einem Blick sichtbar wird.

Ich führe dann Foto-Objektive auf, die aus meiner Sicht Meilensteine der Entwicklung solcher Optiken darstellen. Dies ist keine vollständige Beschreibung dieses Objektiv-Segmentes! Ich versuche derzeit Informationen über alle jemals gelieferten Photo-CATs zu sammeln und hoffe in einigen Monaten eine fast vollständige Liste veröffentlichen zu können.

Fast alle bekannten katadioptrischen Teleobjektive wurden für das Kleinbildformat gerechnet. Einige wenige zeichneten Mittelformat 6×6 oder 6×7 aus: Carl Zeiss Jena Spiegelobjektive 500mm und 1.000mm, Kilfitt 500mm und 1.000mm und Pentax 6×7 1.000mm f8 – soweit mir bekannt ist.

1814

Grundlagen-Erfindung (Astronomie) des Katadioptrischen Dialyts (auch „Brachymedial“ genannt) durch Hamilton und darauf folgend eine  große Reihe von Varianten und Weiterentwicklungen.

Hier der Link zu Hamiltons GB-Patent Nr. 3781.

Bis in jüngerer Zeit hat eine italienische Firma tatsächlich noch Hamilton-Teleskope/-Kameras für astronomische Zwecke geliefert (Ceravolo).

1930

Grundlagen-Erfindung (Astronomie) der Schmidt-Korrektor-Platte – daraus entstanden Schmidt-Kamera und Schmidt-Cassegrain-Teleskop

1940/41

Grundlagen-Erfindung (Astronomie) des Maksutov-Korrektor-Meniskuslinse – daraus entstanden das Maksutov-Cassegrain-Teleskop – genau betrachtet ist es aber eine Sonderform des katadioptrischen Dialyts.

ab 1945

Maksutov-Cassegrain 3,5″ f/12-Teleskope – Lieferung großer Stückzahl des Teleskops an sowjetische Schulen, gebaut (anfangs) vermutlich in Nowosibirsk. Wenn Sie wissen wollen, wie das Schul-Teleskop aussah, folgen sie bitte diesem Link zu einer sehr kompakten Biografie Maksutovs auf Prabook. Dort sehen Sie ein Bild von D. Maksutov mit „seinem“ Schul-Teleskop vor ihm auf dem Schreibtisch. Mit ähnlicher Spezifikation wurde es in Polen als „PZO“ hergestellt und in der DDR von Zeiss als „Telementor„. Diese Geräte wurden auch (da sie Devisen brachten!) in den Westen verkauft.

Bemerkenswert ist, dass die Motivation, ein extrem robustes und haltbares sowie wartungsarmes Fernrohr für Schulen zu schaffen, bei Dimitri Maksutov zu der ursprünglichen Idee für das Meniskus-Tesleskop-Design führte. Ich sehe darin ein Beispiel, dass auch das Streben nach Gemeinwohl zu hervorragenden Innovationen führen kann!

In diesem Link zu „cloudynights.com“ fand ich weitere interessante Fotos des polnischen PZO-Instruments.

ab 1954

QUESTAR Maksutov-Cassegrain-Teleskop 3,5″ (in Großserie gefertigt bis heute)

Klassisches Maksutov-Cassegrain, Brennweite 1280mm f/14.4 (Spezifikation ab 1961) – wurde und wird auch als Teleskop-Tubus („Field-Model“ oder „Birder“) mit Okular- oder Kameraanschluss geliefert.

Ein Kult-Klassiker der Amateur-Astronomie. Aber auch die NASA soll einige beschafft haben …

Bild 4: Questar-3,5″-Teleskop mit ausgezogener Taukappe – Quelle Wikipedia, Autor:Hmaag – https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0

ab 1936 bis in die 1960er Jahre

wurden mindestens in Deutschland (Zeiss), Japan (Nikon) und Russland (GOI) und USA (Kodak) große semi-transportable (meist katadioptrische) Spiegelobjektive für militärische und satellitengestützte Anwendungen entwickelt. Diese waren ausschließlich vom Maksutov-Typ und hatten Brennweiten von 1.800mm – 8.200mm. Viele Informationen dazu gibt es im Übersichtsartikel von Marco Cavina in diesem Link. Auf diese umfangreichen Erfahrungen konnten sich die Optik-Unternehmen dann nach dem 2. Weltkrieg bei der Entwicklung von katadioptrischen Wechselobjektiven für Spiegelreflex-Kameras stützen.

vor 1958

Erste Maksutov-Cassegrain-Teleobjektive für SLR von LZSO, Sowjetunion: MTO 1.000mm f/10.5  und MTO 500mm f8 – erhielten eine Goldmedallie auf der EXPO in Brüssel 1958.

Ich weiß nicht, wann genau diese Maksutov-Cassegrain auf den Foto-Markt gebracht wurden. Es muss noch unter der strengen Überwachung von Dimitri Maksutov selbst gewesen sein, der ja bis 1964 lebte. Gibt es Leser, die da weiter helfen können?

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Bild 5a: MTO-500mm f/8 – Quelle: fotosaurier

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Bild 5b: MTO-1.000mm f/10 – Quelle: fotosaurier

Das archaische Design und die solide Bauweise führten dazu, dass die Optiken (bis heute) von Fotoamateuren liebevoll als „Russentonnen“ bezeichnet werden. Herstellerbezeichnungen waren und sind MTO, Arsenal, Rubinar. Nicht immer waren die Optiken leider in der Qualität konstant, was oft an verspannt eingebauten Spiegeln gelegen haben soll. Ein Bericht dazu (Dr. Wolfgang Strickling) finden Sie hier.

1959/1961Nikon bringt nach den russischen MTOs bereits 1959 sein erstes CAT mit ehrgeizigen Daten auf den Markt, das Reflex-Nikkor 1.000mm f/6.3 – und bereits 1961 folgt ein Reflex-Nikkor 500mm f/5. Ab den frühen 1970er bis in die 2000er Jahre bietet dann Nikon kontinuierlich das „Reflex-Nikkor-Trio“ 500 f/8 + 1.000 f/11 . 2.000 f/11 an. Viele Details findet man in dem Artikel von Marco Cavina – für die Liebhaber der italienischen Sprache! Die 2.000mm f11 wurden demnach alle von 1971 bis 1975 in zwei Versionen gefertigt. Das eklärt wohl zur Genüge, warum Ihnen das 2.000er CAT so selten in „freier Wildbahn“ begegnet.

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Bild 6: Reflex-Nikkor C 500mm f/8 – Quelle: fotosaurier

1961Carl Zeiss Jena

stellt das katadioptrische „Spiegelobjektiv“ 500mm f4,0 auf der Leipziger Messe vor (Entwickelt ab 1955 von Dr. Harry Zöllner, W. Dannenberg. (Kurze Zeit später kommt auch ein Spiegelobjektiv 1.000mm f5,6, die sog. „Stasi-Kanone“, hinzu). Die Optiken sind für Mittelformat 6 x 6 gerechnet und geliefert worden!

Frei zugängliche Darstellungen von Linsenschnitt, Auflösung und MTF-Kurven stehen mir bisher zu diesen Optiken nicht zur Verfügung. Allerdings gibt es einen fabelhaften synoptischen Artikel von Marco Cavina, in dem das Jena-Spiegelobjektiv 500mm f/4.0 und das Mirotar f/4.5 im Detail ausführlich beschrieben und verglichen werden.

Bereits 1941 hatten bei Zeiss die Konstrukteure Robert Richter und Hermann Slevogt ein CAT-System (Richter-Slevogt-Teleskop) entwickelt und angemeldet, das dem kurz vorher in GB angemeldeten „Houghton-Teleskop“ (s. Teil II) ähnelt. Wahrscheinlich wussten beide Gruppen damals im Krieg nichts voneinander.

Auf diese Entwicklungen von 1941 geht offensichtlich dieses Carl Zeiss Jena-Spiegelobjektiv zurück.

Cavina äußert in seinem Artikel die Vermutung, dass die optische Leistung des Jena-Objektivs nicht an das folgend beschriebene, kurz danach heraus gekommene Objektiv von Zeiss Oberkochen heran kommt, da es vermutlich als IR-Fernobjektiv für Aufnahmen auf IR-Schwarzweißfilm entwickelt wurde.

In dem Blog „Zeissmania“ (Teil II) finden sich einige Aufnahmen,die der Autor selbst mit dem Zeiss Jena 1.000 f/5.6 gemacht hat (Website der Burgenländischen Amateurastronomen BAA).

1963Zeiss Oberkochen (West)

stellt das MIROTAR 500mm f/4,5 vor und fertigt 200 Exemplare für Contarex.  Zeiss-Konstrukteure sind Helmut Knutti und Alfred Opitz. Später wird noch einmal ein kleines Los speziell mit dem Kyocera-Contax-Anschluss (c/y) gefertigt. Etliche nagelneue Contarex-Objektive wurden (lt. Marco Cavina) auch im Werk auf  c/y umgerüstet. Ab 1975 liefert Zeiss ein MIROTAR 1.000mm f5,6 und fertigt 20 Exemplare. (Alle Mirotare sind für Kleinbild-Format gerechnet.)

Mirotar 500mm f4,5_strahl

Bild 7: Linsenschnitt des Zeiss Mirotar 500mm f4.5 – Maksutov-Design mit zwei Korrektur-Menisken aber noch kein Mangin-Spiegel – Quelle: Datenblatt Fa. Zeiss

Spezifikations-Datenblätter von Zeiss mit Linsenschnitten finden Sie hier und hier.

Dies ist ein Vertreter der „Maksutov-Fraktion“, noch mit durchbohrtem Primärspiegel.

Zeiss verwendet hier noch keinen Mangin-Spiegel! Für das benötigte große Bildfeld des Kleinbild-Formates und dem großen Öffnungsverhältnis von f/5.6 ist ein einfacher Maksutov-Meniskus allerdings nicht ausreichend als Korrektor bei höchsten Ansprüchen. Daher verwendet Zeiss davor noch einen zweiten (umgekehrten) und sehr dicken Meniskus – eine Lösung, die auch Maksutov selbst für die großen astronomischen MAK-Kameras in Chile und im Südkaukasus bereits verwendet hatte.

Das Mirotar 500mm f4.5 gilt als Referenz-CAT im Kleinbild-Bereich. Im Artikel von Marco Cavina ist die MTF-Kurve – im Vergleich mit anderen APO-Objektiven und dem 500mm f/8 von Zeiss – dargestellt: sie ist allen anderen Optiken weit überlegen.

vor 1964Canon

stellte für die Olympiade in Tokyo drei CATs der Superlative zur Verfügung, die wohl weniger in den Amateurfotografen-Sektor passten, aber umso bemerkenswerter sind:

  • Canon TV-800 f3.8
  • Canon TV-2.000mm f11
  • Canon TV- 5.200mm f14

Sie haben richtig gelesen – kein Druckfehler! Ich habe keine Ahnung, in welchen“Stückzahlen“ Canon diese Optiken gefertigt hat. Sie wurden also offensichtlich mit Vidicon für das Fernsehen eingesetzt. Hier findet man in einem weiteren Artikel von Marco Cavina (auf Italienisch) mehr Informationen darüber.

1965 – Der US-Photodistributor „Spiratone

beginnt ein Maksutov-Cassegrain-Objektiv 500mm f/8 – gefertigt bei LZOS in der Sowjetunion – im Westen zu liefern. Es bekommt in Fotozeitschriften sehr gute Testergebnisse. Später (jedenfalls VOR 1983) kommt ein katadioptrisches Spiegelobjektiv 300mm f5.6 hinzu.

1965 bis 1980 – dies ist die Periode,

in der JEDER Kamera- oder Objektiv-Hersteller ein oder mehrere Foto-CATs heraus brachte.

Binnen kürzester Zeit war es Standard, dass jeder Original-Hersteller (Nikon, Canon, Pentax, Minolta, Yashica) mindestens zwei CATs in seinem Programm anbot: alle hatten ein 500mm f/8 CAT zu bieten, sowie am langen Ende entweder 800mm f/8 (Minolta) oder 1.000mm f/10 oder f/11. Es kamen auch einige 1.200mm- und  2.000mm-Optiken auf den Markt. Wie schon gesagt, arbeite ich an einer möglichst vollständigen Übersicht. Pentax  brachte zusätzlich zu seiner Kleinbild-Linie ein Reflex Takumar 1.000mm f/8 für Mittelformat (die Pentax 67) heraus. Das gab es meines Wissens sonst nur bei Zeiss Jena und Kilfitt.

Eine Ausnahme bildete Olympus, wo man zögerte um erst 1982 ein einziges aber sehr kompaktes Zuiko Reflex 500mm f/8 heraus zu bringen (s.u.).

Die Leica CATs „MR-Telyt-R“ waren Minolta-Objektive in einem Leica-Design.

Die „echten“ Fremdobjektiv-Hersteller („3rd-party-lenses“) reagierten ebenfalls sehr schnell: anscheinend allen voran SIGMA, die sehr früh (Datum?) ein super-lichtstarkes 500mm f/4.0 heraus brachten. Ich fand einen Bericht eines amerikanischen Fotofreundes, der diese Optik in einem völlig  verwahhrlosten Zustand  fand und mit seinen eigenen Bordmitteln „aufarbeitete“ (Respekt!). Schließlich stellte er fest, dass es nicht so schlecht gewesen sein kann.

Sigma hat dann über die Jahrzehnte den größten „Zoo“ von katadioptrischen Brennweiten auf den Markt gebracht. Dabei auch die eher ungewöhnlichen Brennweiten 400mm und 600 mm. Ich hatte einmal ein 600er Sigma-CAT, das mich aber nicht voll überzeugen konnte.

Dabei waren natürlich auch Tokina und Tamron mit eigenen katadioptrischen Designs – wobei man feststellen muss, dass die 1979/81 erschienenen Tamron 500mm f/8 und 350mm f/5.6 an die Spitzengruppe der (späteren!) Objektive von Olympus und Zeiss heran kamen. Das Tamron 500 f/8 CAT war sogar noch etwas kürzer und leichter als das 1982 erschienene Olympus 500 f/8. Bild und Linsenschnitt hier auf der Adaptall-2-Website. Beim 350er Tamron ist die aufschraubbare Gegenlichtblende (unbedingt benutzen!) praktisch genau so lang, wie das Objektiv selbst.

Makinon war ein weiterer echter japanischer Fremdobjektiv-Hersteller mit meist recht guten Produkten.

In Europa/Deutschland gab es nun ab 1972 keinen ernst zu nehmenden SLR-Hersteller mehr. Es gab allerdings noch berühmte Fremdobjektiv-Hersteller, allen voran Kilfitt/Zoomar. Legendär ist das Kilfitt-Zoomar Sports-Reflectar 500mm f/5.6 (Ende der 1960er), detailliert beschrieben hier auf der Pentaconsix-Website – und hier das 1970 vorgestellte Kilfitt/Zoomar Sports-Reflectar 1.000mm f/8 beide gerechnet für Mittelformat und mit dem Kilfitt WE-Adaptersystem auch an vielen Kameras verwendbar.

Eine unübersehbare Menge von Handelsmarken boten eine große Zahl von CAT-Varianten sehr billig an. Meines Wissens war 1965 zeitlich der früheste Spiratone, USA (siehe oben) – bei dem man auch wusste, wer der Hersteller war (MTO bzw. LZSO in Russland). Bei den anderen habe ich keine Ahnung, wer der Hersteller gewesen sein kann. Mir ist – ausser dem besagten Spiratone – keines bekann, das durch eine besonders hohe optische Qualität aufgefallen wäre.

1975 VivitarSeries1 Solid CAT 800mm f11 und 600mm f8

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Bild 8: Vivitar Series 1 Solid Cat 800mm f/11 an der Sony A7RIV (ohne Gegenlichtblende)- Quelle: fotosaurier

Anfang der 1970er Jahre las ich über ein neu veröffentlichtes Patent von Perkin Elmer über eine sogenannte „Solid Catadioptric Lens“ – d.h. ein Spiegellinsen-Objektiv, das quasi „aus einem einzigen Glaszylinder“ bestehen sollte (gelesen möglicherweise bei Herbert Keplers „Kepler on the SLR“ in Modern Photography?):

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Bild 9: Skizze aus der Patent-Anmeldung Perkin Elmer „Solid-Cat“ von 1967, erteilt 1970. Quelle: US-Patentanmeldung US3547525A

Diese Optik sollte extrem kurz bauen – ich war begeistert. Einige Jahre später erfuhr ich schließlich in der „Modern Photography“, dass dieses Objektiv als Vivitar Series 1 Optik 800mm f/11 tatsächlich am Markt erschienen sei.

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Bild 10: Linsenschnitt VivitarSeries1 Solid-Cat 800mm f/11. Er liegt erstaunlich nahe am ursprünglichen Entwurf! – Quelle: Patent Perkin Elmer Patent Patent application

Da war sofort klar, dass ich das irgendwann haben müßte – was dann noch einige Jahre gedauert hat… Über die Geschichte der Vivitar Series 1-Optiken wird irgendwann separat zu berichten sein. Für uns waren diese Objektive damals in den 1970er Jahren eine Offenbarung – und die meisten davon besitze ich noch bis heute!

Die beiden Solid-Cats (600mm und 800mm) bauen extrem kurz – sind aber deutlich schwerer als die sonst gängigen CATs am Markt.

Erst Jahrzehnte später stieß ich dann auf die spezielle Geschichte dieses Objektivs, das mich so fasziniert hat. in den Archiven der „SPIE“ findet sie sich in Form eines Interviews mit dem Konstrukteur dieses Objektivs, Juan L. Rayces (1918 – 2009). Darin enthalten auch ein Foto des Konstrukteurs mit seinem Objektiv auf dem Stativ – am belebten Strand! (Heute wohl nicht mehr denkbar…)

Auch Perkin Elmer lieferte Exemplare diese Objektivs unter der eigenen Marke (und auch Spezialausführungen an die NASA).

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Bild 11: Solid Cat-Ausführung 800mm f/11 unter Perkin-Elmer-Eigenmarke – Quelle: fotosaurier

Was unter der Marke „Vivitar Series 1“ wirklich geschah: die Fertigung lief 1975 an – wurde aber nach 3 Monaten wieder gestoppt, weil Vivitar feststellte, dass es für ein Amateur-Objektiv zu teuer war. Daher gibt es wohl tatsächlich nur eine relativ geringe Stückzahl von Objektiven weltweit (obwohl es damals heftig – auch in Deutschland – beworben wurde).

1978Minolta RF Rokkor 250mm f5.6

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Bild 12: Linsenschnitt Minolta RF Rokkor-X 250mm f/5.6 – Quelle: Datenblatt Minolta

In Beschreibungen werden die Mangin-Spiegel oft als „Innovativer Schritt“ an sich hervorgehoben – was ja, wenn man von katadioptrischen Dialyt (von 1814!) ausgeht, nicht richtig ist. Auch ist die Bezeichnung eines „Rumak“, die ich schon gelesen habe, nicht wirklich zutreffend: Rumak würde einen Maksutov-Typen bezeichnen, der – nach Rutten als Rutten-Maksutov benannt – nicht den verspiegelten Fleck auf der Rückseite des Meniskus als Sekundärspiegel nutzt, sondern einen auf ein Podest auf dem Meniskus montierten Cassegrain-Sekundärspiegel. Aber diese Optik ist überhaupt kein Maksutov-Typ.

Diese Optik hat einfach ein hervorragendes Brachymedial-Design – insbesondere unter Berücksichtigung der kurzen Brennweite und extrem kurzen Baulänge von 58mm (ohne Gegenlichtblende).

Wie bei allen CATs ist die Benutzung der Gegenlichtblende dringend empfohlen!

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Bild 13: Minolta RFx Rokkor 250mm f/5.6 (ohne Gegenlichtblende) – Quelle: fotosaurier

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Bild 14: Größenvergleich RF Rokkor zu lichtstarkem Normalobjektiv (Olympus OM 50mm f/1.2 – das ist aber das kompakteste unter den f/1.2-Normalobjektiven. Mein heutiges Sony GM-50mm f/1.4 hat das ungefähr 3- bis 4-fache Volumen des RF Rockor …) – Quelle: fotosaurier

Das RF-Rokkor 250mm f/5.6 eröffnete damit Ende der 1970er Jahre noch einmal ein neues Brennweiten-Segment für katadioptrische Objektive mit einem wirklich großen Wurf in jeder Hinsicht – optisch wie geometrisch! Vielleicht lag es auch in der Luft? – umgehend tummelten sich in diesem Segment die Fremdobjektiv-Hersteller („Third-Party“) aber interessanterweise folgte keiner der großen Kamerahersteller Minolta in dieses Segment (meines Wissens …). Ich halte den Brennweitenbereich (250-350) für sehr sinnvoll, da  der „Durchschnitts-Fotoamateur“ mit dem Mmanuell-Fokussieren von 500er-Objektiven schon mal leicht überfordert ist – siehe meine Bemerkungen am Ende des Artikels.

Die Brennweite 250mm hat sich dabei nur einer der Fremdobjektivhersteller mal „zugetraut“. Vertrieben wurde das Produkt wohl nur über Handelsmarken – in Deutschland als „Berolina 250mm f/5.6“ bekannt, anderswo auch unter „Focal“ etc. Mir ist nicht bekannt, wer da der Konstrukteur bzw. Hersteller war. Die optische Qualität ist eher bescheiden und die Optik ist auch wesentlich größer als das RF Rokkor (fast so lang wie das Olympus Reflex 500mm f/8).

Die anderen Optiken lagen alle im Bereich von 300mm (f/4.5 bis f/6.3) oder 350mm f/5.6 (Tamron – sehr gute Optik!) – dabei war sogar ein russischer Maksutov-Typ (Rubinar) und auch Astro-Hersteller wie Celestron haben das probiert. Auch die Handelsmarke Spiratone war hier wieder dabei (viel gelobt!).

1978/79Celestron (Schmidt-Cass.) 750 f/6.3 und Questar (MAK) 700mm f/8

Dies sind Versuche, aus dem Astro-Geräte-Segment heraus reine Foto-Teleobjektive anzubieten (was ja mit dem russischen MTO früher schon mal sehr gut gelungen war – bis heute!).

Celestron  (1978) war das einzige reinrassige Schmidt-Cassegrain-Objektiv, das an den Foto-Markt gebracht wurde. Es verschwand ab 1986 wieder.

Das Questar-Gerät (1979) war als „lichtstarker Maksutov-Typ“ auch nicht lange am Markt.

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Bild 15: CAT-Teleobjektiv „Celestron 700“ 700mm f/8 – Quelle: fotosaurier

Qualitativ hochwertig und hervorragend gebaut – aber der Foto-Markt funktioniert eben anders als die „Astro-Nische“.

1982 – Olympus OM Zuiko Reflex 500mm f/8

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Bild 16: Das kompakte Olympus Zuiko Reflex 500mm f/8 an der „zierlichen“ OM4Ti (Gegenlichtblende eingeschoben) – Quelle: fotosaurier

Ich hebe dieses 500er CAT besonders hervor, weil es praktisch keine Fehler hat – außer dem Fehlen des Stativanschlusses, der allerdings dem Olympus-Konzept widersprochen hätte! Sein auffälligster Vorteil ist der hervorragende Bildkontrast, der das (sehr feinfühlige!) Fokussieren leicht macht – selbst ohne Fokusvergrößerung an der digitalen Systemkamera. Das Bild „springt“ geradezu in die Schärfezone. In mittleren Entfernungen ist die Bildstruktur („Rendering“) – auch des Hintergrundes! – sehr schön. Auch die ausziehbare Gegenlichtblende ist sehr praxisgerecht.

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Bild 17: Beispiel des schönen Renderings beim Olympus OM Reflex Zuiko 500 f/8 – Quelle: fotosaurier

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Bild 18: Linsenschnitt Olympus OM Reflex Zuiko 500mm f/8 (Lichteintritt von rechts! – Gegenlichtblende eingeschoben) – Quelle: Datenblatt Olympus

Zusammen mit dem Minolta AF Reflex 500 und dem fast 20 Jahre später erschienenen Mirotar 500mm f/8 ist es das beste 500er-CAT das ich persönlich und praktisch kenne. Beide Spiegel sind Mangin-Spiegel. Das Auffälligste ist, dass hier ALLE optischen Elemente in nur zwei Gruppen um die beiden Spiegel zusammengafasst sind! Es ist das CAT mit der geringsten Zahl von Glas-Luft-Flächen. Ich vermute, dass dies ein Teil des Geheimnisses des hervorragenden Bildkontrastes ist.

Bei meinen jüngsten Messungen mit einer Nyquist-Frequenz des Sensors von 3.168 LP/BH messe ich beim Zuiko-Reflex ca. 1.500 LP/BH (entsprechend 125 Linien/mm) in der Bildmitte – in der äußersten Ecke bei ca. 860 LP/BH. Ich gebe die Auflösungswerte für 30% Kontrast an (wie meistens üblich …) Für die damalige analoge Fotografie waren das Werte, die noch über der praktischen Filmauflösung lagen (zumal mit ISO 400-Filmen – oder noch höheren ISO-Werten!).

Deutlich kompakter als diese Optik ist meines Wissens nur das Tokina 500mm f/8 – aber das spielt in der optischen Qualität eine Liga darunter. Auch das Tamron 500mm f/8 ist etwas kürzer – man muss aber eine Gegenlichtblende aufschrauben, die fast so lang ist wie das Objektiv selbst!

1982/83Vivitar Series 1 450mm f4.5

Hier ist die Datierung ganz sicher:  Oktober 1982 wurde das Objektiv auf der Photokina in Köln vorgestellt. Ab 1983 wurde es meines Wissens ein Jahr lang gefertigt. Es gibt dazu auch noch einen 2-fach-Telekonverter, der speziell für die Optik gerechnet ist und direkt am T2-Gewinde angeschlossen wird.

Diese Optik hat nichts mit den früher gelieferten Vivitar Series 1 „Solid Cat“ zu tun!(Das war vereinzelt angenommen worden …)

Dies ist die wohl (bisher) exotischste katadioptrische Foto-Optik, die es tatsächlich an den Markt geschafft hat! – Eindeutig ein Fall für  die Rubrik „My Crazy Lenses“ – demnächst hier in diesem Blog

Das Design stammt von der Optik-Designfirma OPCON Associates, die der ehemalige Perkin-Elmer Mitarbeiter Ellis Betensky 1969 mit zwei anderen Partnern (Melvin Kreitzer und Jacob Moskovich) 1969 gegründet hatte – und die bis heute existiert (seit 1996 ohne Betensky).

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Bild 19: Vivitar Series 1 450mm f4.5 (Länge 150mm – ohne die Gegenlichtblende) an der Olympus OM – Quelle: fotosaurier

Nach intensiver Suche habe ich schließlich das Patent für dieses katadioptrische Objektiv gefunden: US-Patent 4523816 angemeldet 1983 für Vivitar. Anders als oft zu lesen, ist als Erfinder Melvin Kreitzer eingetragen und nicht nicht Ellis Betensky. Die Bilder „Fig.3 und Fig.4“ sind durch klicken auf „Full Pages“  (am linken Rand) einzusehen.

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Bild 20: Grobe Linsenschnitt-Skizze aus dem US-Patent 4523816 für das Vivitar Series 1 450mm f/4.5 – entspricht sicher nicht in allen Details dem endgültig hergestellten Objektiv – es fehlt z.B. die nach vorne abschließende dünne Planglasscheibe (s. FIG-4) – Quelle: US-Patent 4523816

Der EXOT besitzt vier höchst innovative Besonderheiten:

a – Der (sehr dicke!) Front-Korrektor L1 besteht laut Spezifikations-Claims aus PMMA-Kunststoff („Acryl-Glas“).

b – Der Korrektor L1 hat auf der Vorderseite eine asphärische Fläche! … also eine Art „verkappte-Schmidt-Platte“?

c – Das System besitzt eine Innenfokussierung durch Verschiebung der Korrektor-Linsengruppe G2. Dabei ändert sich die Brennweite des Objektivs in Naheinstellung.

d – das vordere Kunststoff-Korrektorelement L1 ist an der Objektiv-Vorderseite durch eine dünne planparallele Glas-Scheibe geschützt (fehlt in Fig.3 – angedeutet nur in Fig.4 des Patentes).

Weitere Informationen zu diesem Objektiv im Artikel in der Reihe „My Crazy Lensesdemnächst.

1989Minolta AF Reflex 500mm f/8

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Bild 21: Minolta AF Reflex 500 an der Sony A7RIV (mit Gegenlichtblende) – Quelle: fotosaurier

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Bild 22: Minolta Autofocus 500mm f/8 – Quelle Minolta Objektiv-Spezifikation

Minolta hat damit – 4 Jahre nach der Einführung der AF-SLR als erster weltweit und bis heute einziger Hersteller – etwas gemacht, was eigentlich als „unmöglich“ galt: Funktion eines zuverlässigen Autofokus bei Blende 8!  Ich hatte das Objektiv an der Dynax 7D und ich benutze es bis heute an der Sony A7RIV (mit Adapter LAEA4)  – das funktioniert hervorragend und sehr schnell auch noch bei schwachem Licht! Das Objektiv wurde auch lange Zeit noch mit dem Sony A-Mount ausgeliefert und ist in anscheinend fast beliebiger Menge und günstig am japanischen Gebrauchtmarkt zu erhalten – in Deutschland eher selten und viel teurer als in Japan!). Es ist auch eine meiner „crazy lenses„.

Der Aufbau benutzt zwei Mangin-Spiegel und ähnelt dem Design des Minolta RF 250mm f/5.6. In der Bildqualität spielt es absolut in der Oberliga – wegen der grundsätzlichen  Fokussier-Schwierigkeiten mit den manuell zu fokussierenden CAT-Objektiven ist der Autofokus für sich in der Praxis ein großer qualitativer Nutzen!

Ich halte es – zusammen mit dem RF Rokkor 250mm f/5.6 – für das unter heutigen Bedingungen an D-SLR und Spiegelloser Systemkamera nützlichste historische CAT – auch frei Hand einsetzbar für „normale Alltagsfotografie“. Die Klasse der manuell fokussierbaren 500er CATs ist sonst doch schon etwas für das Staiv!

1997Zeiss Mirotar (für Contax c/y) 500mm f8

Dies ist das letzte relevante 500er CAT (eines Originalherstellers), das auf den Markt kam – und es ist eines der Besten, das Zeiss nun als „Spätgebärende“ herausbrachte. Allerdings kann man den MFT-Kurven bei Marco Cavina entnehmen, dass es nicht an das überragende Referenzobjektiv 500mm f/4.5 heran reicht. (Ich finde: das ist keine Schande – ca. 800 Gramm treten gegen fast 4 kg an …)

Mirotar 500mm f8

Bild 23: Zeiss Mirotar 500mm f/8 von 1997 – Quelle: Zeiss Datenblatt

Dieses Objektiv hat nun alle Merkmale der „modernen“ CAT-Bauweise: Mangin-Spiegel und nicht durchbohrter Hauptspiegel. Es ist allerdings kein Maksutov-Typ mehr sondern eine Hamilton-Bauweise mit ausgeklügelten Sub-Apertur-Korrektoren. Der Mangin-Primärspiegel ist ungewöhnlich dick! Zusätzlich zu einer ausziehbaren Sonnenblende besaß das Objektiv einen sehr schlank gebauten drehbaren Stativanschluss – es war also in jeder Hinsicht  perfekt.

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Bild 24: Zeiss MIROTAR 500mm f/8 – Quelle: fotosaurier

Anfang der 2000er Jahre erschienen plötzlich viele nagelneue Mirotar-500mm f/8-Objektive zum Preis von 500 EUR im Angebot (unter halbem Listenpreis)! Es ging das Gerücht, dass ein ganzer Container mit diesen Objektiven geraubt worden sei – danach wäre das alles Hehlerware gewesen … Vielleicht hatte aber auch Zeiss nur wieder ein größeres Los vorweg gefertigt und versuchte die Ware rechtzeitig vor der Einstellung der Kyocera-Contax-SLR (2005) los zu werden – es fand also ein radikaler Abverkauf statt? Ich weiß nicht, was wirklich der Grund war – aber ich habe es gekauft. (War ich ein Hehler?) Im Vergleich zum Olympus-CAT habe ich damals festgestellt, dass beide Objektive gleichwertig an der Spitze des Wettbewerber-Feldes liegen (seinerzeit mit Vergleich auf Analog-Film festgestellt). Ich habe dann das Zuiko-CAT behalten, da es kompakter und leichter war. Bei einem Vergleich am aktuellen 63 MP-Digital-Sensor könnte sich heute allerdings herausstellen, dass eines der Objektive doch dem anderen überlegen ist, da unsere Vergleiche auf Analog-Film einen praktischen Grenzwert von ca. 100 Linien/mm besaßen – entsprechend 1.200 Linienpaare/Bildhöhe. Wie schon oben angemerkt liegt das Olympus-CAT am digitalen Sensor bei 1.500 LP/BH.

In der Zeit nach dem Jahr 2.000:

Nachdem Sony als letzter Anbieter das AF Reflex 500 (original Ex-Minolta!) eingestellt hat, gibt es meines Wissens kein CAT-Objektiv eines Original-Herstellers mehr am Markt.

Einige Fremdobjektiv-Hersteller (auch neuere wie Samyang) haben sehr preiswerte CAT-Objektive im Programm. Die weitaus meisten CATs, die heute herum geistern, werden unter Handelsmarken vertrieben. Man sollte von denen nicht zu viel erwarten. Darunter sind auch solche, die schon in den 1980/90er Jahren exakt so geliefert wurden – erkennbar z.B. an der identischen Ausführung der auffälligen Gummierung des Fokussier-Rings.

Gerade vor wenigen Wochen hat allerdings einer der renommierten Fremdobjektiv-Hersteller (Tokina) wieder ein neues CAT mit 400mm f/8 und T2-Anschluß neu auf den Markt gebracht.

Ist das der Beginn einer Renaissance?

Man wird sehen …

Warum sind die katadioptrischen Teleobjektive (CAT) nach der ersten großen „Welle“ (1965-1990) fast wieder verschwunden?

Auffallend ist, dass extrem viele der im Netz angebotenen CATs in ganz hervorragendem Zustand – oft neuwertig – sind. Das könnte bedeuten, dass sie kaum benutzt wurden. Das ist auch meine persönliche Meinung. Eine Ausnahme bilden überdurchschnittlich oft die „Russentonnen“.

a) Im professionellen Bereich wurden die frühen CATs wohl hauptsächlich wegen der farbreinen Abbildung eingesetzt. Dieser Vorteil fiel mit dem Erscheinen der Tele-Objektive mit ED-Glas ab ca. 1982 weg. Allerdings wurde dieses „Versprechen“ der Abwesenheit von Farbfehlern tatsächlich nur von den Spitzen-CATs am Markt eingelöst. Möglicherweise blieb noch der Grund eines federleichten, kompakten „Immer-dabei-Lang-Brennweiters“ erhalten, der für den Fall des Falles hinten in der Reportage-Tasche schlummern durfte.

b) Das manuelle Fokussieren mit den CATs geringer Öffnungsverhältnisse (f/5.6 bis f/11 !) war selbst für erfahrene Manuell-Fokussierer sehr schwierig. Die Hilfsmittel wie Schnittbildindikator oder Mikroprismenring fielen ab f/8 aus – es blieb meist nur das Fokussieren auf dem Mattglasbereich übrig! Bei professionellen Kameras gab es teilweise wechselbare Einstellscheiben für den SLR-Sucher. Aber ehrlich: wer legt sich zwischendrin ins Gras und fummelt eine Einstellscheibe raus und wieder rein …?

Es ist auch festzuhalten, dass mit sehr wenigen Ausnahmen gerade an preislich günstigen CATs das präzise Fokussieren – für das man eigentlich eine Mikrometer-Schraube gebraucht hätte! – sehr schlecht und grob gelöst war. Das dauert dann, wenn man immer wieder vorbei gedreht hatte … oder die Schärfeergebnisse waren eben unterirdisch!

c) Alle CATs waren mehr oder weniger Streulichtempfindlich, wenn man gegen die Sonne fotografierte. Wenn man den Effekt eines großflächigen „Flares“ nicht bildnerisch nutzen will, kann ich tatsächlich nur davon abraten.

d) Die Verschlusszeit: Hinzu kam der Punkt, dass man an Analog-Kameras mit typischerweise maximal ISO400-Film für ein 500mm-Objektiv doch eine tausendstel Sekunde für ein scharfes Bild gebraucht hätte – also gerade die kürzeste Verschlußzeit, die typischerweise in den 1960er Jahren zur Verfügung stand! Die Stative, die wir als Amateure damals hatten, waren auch für 500er Teles nicht wirklich geeignet.

Da die Dinger so kurz bauen, unterschätzt man unbewusst die Brennweiten-Wirkung auf das Verwackeln. Darüberhinaus hat das „Handzittern“ mit dem kurzen Griff ein großes Übersetzungverhältnis.

Im Grunde waren die weitaus meisten Amateure, die sich erstmals ein so langbrennweitiges Objektiv zulegten, unerfahren in der Nutzung und manuellen Fokussierung solcher wirklich langbrennweitiger Objektive. Mit Übung und Zähigkeit kann man da viel erreichen – aber das bedeutet nur eines: fotografieren – fotografieren – fotografieren!

e) Nun war da auch noch die Situation des großen Zeitverzuges zwischen Auslösen der Kamera und dem Vorliegen der Ergebnisse mit entwickeltem Film/Dias und Vergrößerungen – mit denen eventuell die Enttäuschung aufkam, dass die Ergebnisse einfach nicht scharf oder doch verwackelt sind. Da landete dann vermutlich ein großer Teil dieser zunächst attraktiv erschienenen Objektive in Schubladen und Vitrinen – bis heute: und warteten auf den Weckruf durch die hoch auflösenden, bis ISO3200 nutzbaren digitalen Systemkameras, die binnen Sekunden ein Feedback/Bildergebnis liefern?

Werden die Karten für die CATs mit den modernen Systemkameras heute neu gemischt?

Ich halte das durchaus für möglich, dass die wahre Zeit für solche Objektiv-Designs nun erst begonnen hat:

Mit der praktisch gut nutzbaren ISO-Empfindlichkeit bis zu 3.200 oder 6.400 und elektronischen Verschlüssen bis 1/40.000 Sekunde gibt es eine dramatisch verbesserte Ausgangslage.

Allerdings muss man sich immer bewusst machen, dass trotz der tollen Fokussierhilfen an digitalen Kameras das manuell Fokussieren dennoch eine echte Herausforderung bleibt – zumal der  jüngere Normalfotograf keine Routine im manuellen Fokussieren besitzen dürfte! Wenn man bei 500mm Brennweite und 11-facher Fokussiervergrößerung versucht zu fokussieren tanzt das Bild im Sucher wie beim Blick durch ein Objektiv mit 5,5 Meter Brennweite – mit etwas Pech verliert man sogar sein Ziel aus dem Auge … Da hilft nur ein Stativ!

Ein Autofokus wäre hier eine durchschlagende Verbesserung der Nutzbarkeit.

Anscheinend testet auch schon ein renommierter Fremdobjektivhersteller (Tokina) gerade den Markt mit einem nagelneuen CAT mit 400mm f/8. Aber auch manuell zu fokussieren …

Aufhorchen lässt dabei auch die jüngste Ankündigung der Firma Canon, nicht mit CATs aber mit neuen DO-Tele-Objektiven von 600mmund 800 mm mit Öffnungsverhältnissen von f/11 neu entwickelt für die Sensoren der spiegellosen Systemkameras mit AF und IS im Objektiv und ebenfalls sehr kurz bauend bzw. zum Transport zusammenschiebbar. („DO“ bedeutet „Diffraktions-Optik“ – das sind dünne, leichte Beugungs-Elemente, die Linsen ersetzen können. Canon testet diese Technik seit Jahrzehnten bei langen, lichtstarken Teleobjektiven.)

Bei der Benutzung von historischen CAT-Objektiven an den modernen Digital-Systemkameras muss man sich klar machen, dass die Optiken nicht für die Benutzung am digitalen Sensor berechnet wurden und nicht jedes CAT mit jedem Sensor harmoniert. Da kann es auch vorkommen, dass eine Optik an einer Sony Probleme zeigt, an einer Fujifilm- oder Olympus-Kamera aber nicht. Typische Probleme sind helle „Halos“ in der Bildmitte, niedrige Auflösung am Bildrand oder generell flauer Kontrast.

Viel Spaß beim Ausprobieren – ich werde sobald es passt über einige CAT-Sensor-Kombinationen in meine Rubrik „My Crazy Lenses“ berichten.

Herbert Börger, Berlin, 8. November 2020