Hey Sony! Was passiert bei der Objektiv-Korrektur in meiner Sony A7Rm4 ?

Bei hochwertigen digitalen Systemkameras hat man üblicherweise die Möglichkeit, eine digitale „Objektiv-Korrektur“ zuzuschalten – für moderne Objektive, deren Eigenschaften in der Firmendatenbank des Kameraherstellers meines Vertrauens gespeichert und für das Kameramodell verfügbar sind. Dazu muss die Kamera das Objektiv-Modell erkennen und die notwendigen Korrektur-Algorithmen besitzen – oder das Objektiv könnte diese Informationen über seine Fehler in sich tragen.

Ich mchte nur generell erwähnen, dass ich in allen meinen Testberichten, in denen ich historische und moderne Objektive verglichen habe, immer die Objektiv-Korrektur ausgeschaltet habe.

Geben Sie es zu: Sie waren bisher auch so naiv, zu glauben, dass da auf wundersamem – eben digitalem! – Wege die aufgrund der bekannten Rest-Fehler der Optik fehlerhaften Bildinformationen „nachgebessert“ werden. Es entstehe bitte: DAS PERFEKTE BILD – bei Verwendung eines un-perfekten (und damit billigeren) Objektives, dessen Rest-Fehler durchaus sehr groß sein könnten – man müsste sie nur kennen …

Nachdem ich persönlich schon relativ sicher war, dass von der „Objektiv-Korrektur“ KEINE WUNDER zu erwarten sein werden, wollte ich mal nachschauen, was denn wirklich passiert. Was können wir heute von einer Objektiv-Korrektur erwarten, wobei ich das Thema erst einmal auf die 60 Megapixel-Sony-Kamera A7Rm4 beschränken muss, also einen aktuellen, hochauflösenden Sensor.

Meine Hoffnung ist, dass beim Aufbereiten der Sensor-Rohdaten diese Kamera nicht schon ohne mein Wissen die Bilddateien manipuliert, solange die Objektiv-Korrektur ausgeschaltet ist! Bei den historischen Objektiven, die ich normalerweise sehr überwiegend analysiere, besteht diese Sorge ja ohnehin nicht, da das Objektiv normalerweise nicht mit der Kamera kommunizieren kann – die Kamera aber auch sowieso nichts über mein „Ernostar“ von 1926 weiß!

Ich sollte nicht verschweigen, dass meine Motivation, diesen Bereich näher zu untersuchen dadurch plötzlich für mich höhere Priorität erlangte, dass ich versucht habe, in Dateien auf Basis des IMATEST-Test-Targets die Vignettierung mittels Photoshop zu kompensieren, um zu erfahren, welchen Einfluß die Vignettierung alleine (also der Helligkeitsabfall zum Rand) auf die Auflösungsmessung haben könnte.

Die erneute Analyse der manipulierten IMATEST-Target-Datei ergab: einen KATASTROPHALEN Einbruch der Auflösungswerte überall im Bild. Das hat mich schon sehr alarmiert!

Zufällig um dieselbe Zeit habe ich mein Referenz-Normalobjektiv (Sony Planar FE 50mm f/1.4 ZA) erneut mit IMATEST gemessen – und erreichte nicht annähernd die mir geläufigen hohen Auflösungs-Werte. Ich sellte fest, dass – durch irgendeinen Zufall – die Objektiv-Korrekturen eingeschaltet waren.

In der Folge führte ich folgendes Messprogramm durch – wobei ich das exzellente (aktuelle) Planar FE 50mm f/1.4 ZA im E-Mount (Sony) verwendete. Nach meinen umfangreichen Erfahrungen kann das verwendete Objektiv aber durchaus als Referenz dessen gelten, was in diesem Preissegment heute möglich ist.

Auflösungs-Messung (mit CA- und Verzeichnungs-Daten sowie Kantenschärfe-Messung) an der Sony Planar FE 50mm f/1.4 ZA am Imatest-Target (SFRplus):

Laborszene900
Bild 1: Messanaordnung Mit Sony A7Rm4-Kamera und dem großen IMATEST-SFRplus-Target. Die Höhe des Targets zwischen den oberen und unteren Balken beträgt 783 mm, Der Abstand mit 50mm-Objektiv ca. 1,6 m.

Beschreibung des Messverfahrens im Detail siehe:

Fotosauriers optisches Testverfahren für Objektive mit IMATEST

Die typischen individuellen Fokussier-Unsicherheiten der (eigentlich überlegenen) Manuellen-Fokussierung wollte ich zunächst vermeiden, deshalb wählte ich Autofokus für die Schärfeeinstellung – und zwar mit Fokusfeld im Zentrum.

Die Objektiv-Korrekturen sind AUSGESCHALTET (OFF):

50f1,4_AF-oKorr
Bild 2: Auflösung, Kantenschärfe und Verzeichnung (IMATEST) mit Autofokus, Objektiv-Korrekturen ausgeschaltet – PLANAR 50mm f/1.4 – gegenwärtiger Stand der Technik (2018)

Anschaulicher sind die folgenden Grafiken, Auflösung (LP/PH = Linienpaare/Bildhöhe) über der Blende aufgetragen – jede Zahl ist ein Mittelwert über mehrere Messpunkte (insgesamt 46 Messpunkte bei jeder Blende über die gesamte Bildfläche verteilt):

FE 50f1,4_Autofocus_oKorr_Diagramm
Bild 3: Diagramm Auflösung (Mitte-Übergang-Ecken) des FE 50f1.4 ZA mit Autofokus

Das folgende Diagramm zeigt die Auflösung desselben Objektivs  mit EINGESCHALTETER VERZEICHNUNGS-KORREKTUR

FE 50f1,4_Autofocus_mVerzKorr_Diagramm
Bild 4: Auflösung (Mitte-Übergang-Ecken) (IMATEST) mit Autofokus, Objektiv-Korrekturen eingeschaltet – PLANAR 50mm f/1.4 – gegenwärtiger Stand der Technik (2018)

Man erkennt sofort, dass die Auflösung in der Bildmitte („Center“ – grüne Linie!) sehr stark abgesunken ist gegenüber der Messung ohne Verzeichnungskorrektur. Wenn man genau in die Rand-Auflösungswerte schaut, sieht man, dass zwischenBlende 2.8 und 8 die Auflösung auch in den Ecken und im Übergang (part way) leicht verringert ist. Außerdem ist die Kantenschärfe in der Bildmitte (Wert „Edge profile bzw. sharpness“) deutlich – nämlich ebenso um ca. 20% wie die Auflösung in Bildmitte – reduziert.

Die Aufgabe der Verzeichnungskorrektur wird dabei allerdings vorbildlich gelöst: die Verzeichnungswerte werden mit 0,03-0,07% auf bis zu ein Zehntel der ursprünglichen Verzeichnung von 0,35% abgesenkt – dann meist mit der Charakteristik „Moustache“.

Die Frage ist nur: zu welchem Preis in der Bilqualität geschieht das hier? Und ist das Objektiv damit sinnvoll verwendet. Mit Listenpreis € 1.500 erstehe ich eine 12-linsige Festbrennweite mit state-of-the-art Optik (Asphäre, Sondergläser). Da möchte ich die volle optische Leistung (schon ab Offenblende!) gerne genießen!

Die oben dargestellte Erkenntnis ist daher wohl von eher theoretischem Interesse. Eine Verzeichnung von 0,35% ist ohnehin so gering, dass sie praktisch nicht auffällt. Man solte den 12-Linser nicht „abdrosseln“ und ihm damit seine optische Potenz nehmen.

Zu der anderen angebotenen Objektiv-Korrektur, die man in der A7Rm4 einzeln zu- und ab-schalten kann, läßt sich allerdings nur Positives sagen: die CA-Korrektur beeinflusst hier die Auflösungswerte allenfalls positiv – nämlich da, wo im Rand-Ecken-Bereich der Farbfehler reduziert wird: dort steigt dann auch die Auflösung. Das Zuschalten ist also auch bei einem derart hoch-korrigierten Objektiv zu empfehlen. Die Wirkung ist auch in der Bildmitte nachweisbar.

Für dieses hier besprochene Objektiv würde ich dringend empfehlen, die Lens-Correction Funktion auszuschalten und lediglich die CA-Korrektur einzeln zuzuschalten.

Bei anderen Hochleisungs-Objektiven habe ich dasselbe überprüft und bin – glücklicherweise – ausschließlich zu anderen Ergebnissen gekommen, wie man in den folgenden Tabellen sieht. Ich habe dabei nur die Performance bei voller Öffnung dargestellt, da die Objektiv-Korrektur da typischerweise am stärksten eingreift.

Hier drei Beispiele mit drei der aktuellsten hochklassigen Optiken mit 40 mm Brennweite ebenfalls an der Sony A7R4:

Batis-40mmf:2.0_with:without-Correct_0penApert
Bild 5: Auflösung, Verzeichnung und CA bei voller Öffnung am Batis 40mm f/2.0 – ohne und mit Lens-Correction – Quelle: fotosaurier
Sony FE40f2,5 - with:without-Correct_openApert
Bild 6: Auflösung, Verzeichnung und CA bei voller Öffnung am Sony FE 40mm f/2.5 – ohne und mit Lens-Correction – Quelle: fotosaurier
SigmaArt-40mmf:1.4_with:withoutCorrect_openApert
Bild 7: Auflösung, Verzeichnung und CA bei voller Öffnung am SigmaArt 40mm f/1,4 – ohne und mit Lens-Correction – Quelle: fotosaurier

Diese drei Beispiele nähren bei mir die Hoffnung, dass die Situation beim Planar 50mm f/1.4 eine Ausnahme sein könnte. In allen drei Fällen zeigt sich grundsätzlich sowohl eine Verbesserung der Verzeichnung als auch der Auflösung, die vermutlich unmittelbar auf die nachträgliche Korrektur der Chromatischen Aberration zurück geht.

Herbert Börger

Der Brandenburger Tor, Berlin, 11. Dezember 2022