ROBOT – Wer hatte die Idee? Kilfitt oder Berning? Zwei Ahnenforscher kommen gemeinsam zu neuen Erkenntnissen …

von Herbert Börger und Jürgen Bahr, im April, 2021

ZUSAMMENFASSUNG und NACHTRAG eingefügt am 19. Mai 2021

Wir haben eine etwas langatmige Erzählform (einen Dialog) für unsere Recherchen zum Thema gewählt. Deswegen ist es sicher sinnvoll hier eine kurze ZUSAMMENFASSUNG voran zu schicken (wir danken dem einen ungeduldigen Leser, der uns auf den Mangel hinwies – den wir hiermit versuchen zu beseitigen!):

Es gibt zu wenige völlig sichere primäre Quellen zu dem Thema, um die Frage „Kilfitt oder Berning“ mit absolut letzter Sicherheit zu entscheiden. Aber: wir haben systematisch alle verfügbaren Quellen analysiert und sind zu dem Schluss gekommen,

dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Heinz Kilfitt bereits den integrierten Federmotor in seiner Kamera vorgesehen hatte, als er mit H.-H. Berning zusammen traf.

Dabei handelt es sich sozusagen um einen „Indizienbeweis“.

„Der Robot“ – die Kultkamera der 1930er und 1940-60er Jahre, die sogar noch bis 2001 gebaut wurde und als Prinzip bis heute in anderem technischen Gewand fortlebt: als Verkehrs- oder Banken- bzw. Raumüberwachungs-System (heute Teil von Jenoptik).

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Fig. 1: aus dem Berning-Familienalbum – Bild und Text zeigen in den frühen 50er Jahren den ersten Einsatz eines Robot in einem Polizeiwagen für die Jagd nach Geschwindigkeits-Sündern! – Quelle: freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Jürgen Bahr.

Für alle, denen der Name der Kamera („Der Robot“) nichts sagt: es war die erste im Kameragehäuse „motorisierte“ Kleinbildkamera (Format 24mm x 24mm) die ein tüftelnder (gelernter!) Uhrmacher namens Heinz Kilfitt unmittelbar nach dem Erscheinen der Leica (ab 1926) erdacht und manuell bis zum Prototypen 1931 realisiert hatte. Die Kamera konnte schließlich ab 1935 tatsächlich in großen Stückzahlen geliefert werden. Wenn Sie jetzt 9 Jahre von der Idee zum lieferfertigen Produkt lange finden: Barnack hatte für die Leica 12 Jahre gebraucht!

Die Geschichte der Entstehung dieser Kamera wurde mehrfach erzählt (siehe Literaturhinweise) und basiert grundlegend darauf, dass der „Tüftler“ Kilfitt einen Fabrikantensohn mit mittlerer Reife namens Hans-Heinrich Berning traf, der in der Idee dieser Kamera seine Erfüllung als Unternehmer fand und deswegen nicht zum Playboy werden musste …

Wie um alle derartige Kult-Artikel mit starker Fan-Gemeinde rankten und ranken sich Legenden und Histörchen um die Erfinder und Macher.

Eine der hervorstechendsten Legenden war beim „ROBOT“ jene, dass Heinz Kilfitt die Kamera zwar grundlegend konstruiert hatte, der Unternehmer H.-H. Berning aber die Idee für den Federmotor gehabt haben soll, der ja das eigentliche Unterscheidungs- und Erfolgsmerkmal dieser Kamera gegenüber anderen Kameras war.

Diese Legende ist das Thema dieses Artikels.

Es wird hier ein sehr „spezielles“ Thema im Zusammenhang mit einer großartigen und erfolgreichen Kameraentwicklung besprochen: hatte der Kamerakonstrukteur Kilfitt die (ursprüngliche) Idee für den Federmotor-Antrieb in der ROBOT-Kamera – oder war das sein Geschäftspartner, Geldgeber und zukünftiger ROBOT-Unternehmer H.-H. Berning? Verschiedene Quellen behaupten ausdrücklich das eine oder das andere.

Das klingt jetzt sehr engstirnig – vor dem Hintergrund einer darauf folgenden 85-jährigen erfolgreichen Unternehmens-Geschichte (bis heute).

Wenn man allerdings bedenkt, dass genau diese Eigenschaft als erste Kleinbildkamera mit integriertem Motorantrieb ihren nachhaltigen Erfolg ausmachte, ist der Punkt schon etwas prominenter.

SCHNITT!

Vorgeschichte, erzählt von Herbert Börger: Am 30. April 2018 wies mich mein heutiger Co-Autor Jürgen Bahr in dem von uns beiden genutzten Ahnenforschungs-Portal darauf hin, dass in meinem Stammbaum das Datum einer Person, die wir beide in unseren Stammbäumen führen, fehlerhaft sei. Aus der Tatsache, dass wir diese EINE Person BEIDE  im Stammbaum haben, folgte sogleich der logische Schluss, dass wir IRGENDWIE verwandt sein müssten. Wir telefonierten kurzerhand miteinander und versprachen uns Aufklärung. Das Gespräch war sehr lebhaft und wir kamen auf unser Leben zu sprechen. Ich erwähnte, dass ich mich intensiv mit Fotografie und Technik befasse. Darauf erwähnte Jürgen Bahr, dass er mit der Gründer-Familie der ROBOT-Herstellerfirma verwandt sei. Es machte da noch nicht „Klick“ in meinem fotoaffinen Synapsen – aber es blieb hängen. (Ich steckte damals gerade sehr tief in meiner Angénieux-Forschungsphase.)

Wie es im Leben oft geht: trotz großem Interesse aneinander trat eine längere Kommunikationspause ein. Bis zu dem Zeitpunkt, als ich in meine „Kilfitt-Forschungsphase“ eintrat – und da machte es mit Verzögerung sehr heftig „Klick“: was hatte Jürgen Bahr da erzählt? Die ab 1934/35 als ROBOT an den Markt gebrachte Kamera hatte doch Heinz Kilfitt entwickelt! Sozusagen das erste Gesellenstück des begnadeten Konstrukteurs!  Im Dezember 2020 nahm ich den Kontakt spontan wieder auf – räumlich behindert durch die COVID-19-Pandemie, denn sonst hätten wir uns sicher sofort getroffen – wir sind ja beide Ruheständler.

Es stellte sich heraus: Jürgen Bahr ist der Schwiegersohn des ROBOT-Gründers Hans-Heinrich Berning (H.-H.B.) – seine Frau war die älteste Tochter des erfolgreichen Unternehmers, der die von Heinz Kilfitt (H.K.) erfundene Kamera mit dem legendären Federwerk-Motor (für Verschluss-Spannung und Filmtransport) Markt- und Produktions-reif machte und bis in die 1960er Jahre das Unternehmen dahin entwickelte, dass es auch nach seinem Ausscheiden und durch die Phase des „Zusammenbruchs“ der westdeutschen Kameraindustrie um 1970 herum nachhaltig und erfolgreich Bestand hatte – bis heute. (Worin sich mir übrigens eine starke Analogie zum Unternehmer Pierre Angénieux aufdrängte – und ja: beide Firmen sind heute immer noch erfolgreiche und eigenständige Abteilungen in großen Konzernen!).

Die Eigenschaften des Produkts, die Entwicklung der ROBOT-Kameras, die unglaublich breite Modellpalette und der Weg des Unternehmens ist ausführlich und detailliert dokumentiert in Büchern, Zeitschriftenartikeln, Websites etc. Da besteht für Informationshungrige wirklich kein Mangel.

Mir fiel allerdings bei meinen detaillierten Recherchen auf, dass es gegensätzliche Darstellungen in einem ganz besonders wichtigen Punkt gibt:

Folgt man den Darstellungen der „Kilfitt-Seite“ (z.B. das Kilfitt-Buch von PONT oder der 75-Jahre Jubiläums-Firmenschrift der Firma robot visual systems) so bestand Kilfitts Erfindungsleistung im vollständigen Kamerakonzept der Kleinbildkamera mit allen wichtigen Merkmalen einschließlich Federmotorantrieb – auch wenn unbestritten ist, dass der Prototyp, den Heinz Kilfitt bis 1931/32 erstellt hatte, tatsächlich den Federmotor noch nicht enthielt. (… und nicht einmal das auf der Leipziger Messe 1934 vorgestellte Vorserienmodell enthielt das Federwerk!)

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Fig. 2a: Der Ur-Robot – und tatsächlich hier mit dem Federmotor ab 1935 geliefert. Später wurde er dann zur Unterscheidung „ROBOT I“ genannt. Eine solche Bezeichnung findet sich auf diesen Kameras natürlich nicht – Quelle: fotosaurier – Repro eines Firmenprospektes
Einige Fotos von HHB - Robot-Doppelportrait
Fig 2b: Der ROBOT II (Blitzkontakt auf Vorderseite und geänderter Sucher – nicht schwenkbar) mit zwei verschiedenen Standardobjektiven – Quelle: Archiv-Bild im Besitz von Jürgen Bahr

Folgt man der ROBOT-Berning-Seite (z.B. dem Buch von Hans Grahner oder der ROBOT-Website von Michael Ensel und anderen) so hatte H.K. nur die Basis-Kleinbildkamera erfunden und als die beiden (Kilfitt/Berning) 1932 zusammen kamen, soll H.-H.B. die entscheidende Idee des Filmtransportes mittels Federmotor beigetragen haben.

Allerdings ist die Darstellung auf der Kilfitt-Seite der Website www.robot-camera.de widersprüchlich. Dort steht wörtlich in aufeinanderfolgenden Sätzen Folgendes:

(Zitat) „Das Kleinbildformat hatte neue Möglichkeiten eröffnet, mit einer Uhrwerkkamera – so Kilfitts Überlegung – könnten Aufnahmen in ausgesprochen dynamischem Stil gemacht werden. Die Idee für den Robot war geboren. (Absatz) Mit Hilfe von H.H. Berning, der Geld und die Idee mit einem Federwerkmotor beisteuerte, wie schon in der Geschichte zum Robot näher erläutert, gelang Kilfitt die Entwicklung seiner automatischen Kleinbildkamera im Format 24×24 mm …“

Hier stoßen also die Gegensätze schon innerhalb einer einzelnen Quelle aufeinander.

Das Problem ist: trotz intensivster Suche vieler kluger Köpfe war bisher keine primäre Quelle zu diesem Thema gefunden worden – nur Behauptungen, indirekte Zitate und Meinungen.

Mich als Ingenieur und ehemaligen Unternehmer störte sehr bald, dass die Hypothese der Berning-Idee für das Federwerk unlogisch erschien – aber dazu später.

Der Leser kann sich sicher vorstellen, dass das Treffen eines Familienmitgliedes des Unternehmers H.-H.B. in Person von Jürgen Bahr in mir Hoffnung aufkeimen ließ … findet sich die Primär-Quelle doch noch, mit der die Frage endgültig entschieden werden kann?

Der Dialog zu dem Thema zwischen uns beiden fand pandemiebedingt per e-Mail-Austausch statt. Diesen weitläufigen Austausch von Informationen, Dokumenten und Recherche-Ergebnissen haben mein Co-Autor Jürgen Bahr („JB„) und ich („HB„) hier gemeinsam in ein „virtuelles Gespräch“ zusammengefasst. Die Inhalte des Dialogs sind authentisch – allerdings liegen zwischen den einzelnen Teilen des Dialogs in Wirklichkeit oft mehrere Wochen der Recherche und des Studiums von Unterlagen.

„Wer hatte die Idee?“ – ein Dialog.

HB: Lieber Herr Bahr, ich bin auf der Suche nach primären Informationen zu der Frage, wer hatte die Idee zum fest in das Gehäuse integrierten Federmotor bei der Entwicklung der „ROBOT“-Kamera? In der Literatur ist das Thema umstritten. Sie sind ein Schwiegersohn von Hans-Heinrich Berning. Was hat man darüber in der Familie erzählt? Kann es irgendwo noch Original-Unterlagen geben, aus denen hervorgeht, wie es tatsächlich war? Was wurde in der Familie Berning über Heinz Kilfitt erzählt?

JB: Meine Frau, Eva-Maria Berning, wurde geboren ein Jahr nach dem Beginn der Zusammenarbeit zwischen HHB, wie ihr Vater in der Familie genannt wurde, und Herrn Kilfitt. der ja die Firma wieder verließ als sie fünf Jahre alt war. Das ist keine gute Voraussetzung für persönliche Erinnerungen zu Firmenangelegenheiten. Leider ist meine Frau schon 2016 verstorben. Auch der einzige Berning-Sohn, Peter Hans-Heinrich Berning ist nun gerade in 2020 auch gestorben. Er war Ingenieur und der Einzige, der nach dem Verkauf der Firma (1963/64) noch eine Zeit lang in der Firma gearbeitet hatte.

Als die Firma nach dem Krieg (1946/47) praktisch aus dem Nichts wieder aufgebaut wurde, war meine Frau ein Teenager – die Menschen hatten andere Sorgen, als längst überholte Vorkriegsgeschichten zu besprechen: man blickte nach vorne! Und das waren ja fast abenteuerliche Verhältnisse, in der alliiert verwalteten Tri-Zone – es gab keinen „Deutschen Staat“ – eine Firma wieder aufzubauen. Seit 1941 war fast nur noch für die deutsche Luftwaffe gefertigt worden (Kameras, die in Jagdflugzeuge und Bomber eingebaut wurden um die Einsatzerfolge zu dokumentieren). Die gesamte Fertigung war aus dem von den Bombardierungen bedroten Rheinland in die Oberlausitz bei Zittau verlegt worden. Restbestände der Luftwaffen-RoBoT’s waren zunächst das einzige, was man hatte. Die Fertigungsmaschinen waren in den Wirren des Kriegsendes verloren gegangen. Dennoch gelang bereits 1947 ein Neustart der Fertigung – unter anderem, weil die Firmengebäude in Düsseldorf (ohne die Maschinen) wenig beschädigt waren. Wer blickt in dieser Situation zurück?

Die Firma strebte schnell auf große Erfolge zu – das folgende Bild zeigt die gute Stimmung dabei Anfang der 1950er Jahre:

Bundespräsident Heuss -Fotokina 1952 bei RoBoT Kopie
Fig. 3: Bundespräsident Theodor Heuss besucht den ROBOT-Photokina-Stand (Aufnahme wahrscheinlich am 4. April 1954 entstanden) – auf dem Bild links von Heuss: H.-H. Berning, der seiner Tochter Eva-Maria (der späteren Ehefrau von Jürgen Bahr) die Hand auf die Schulter legt. – Quelle: Originalfoto im Besitz von Jürgen Bahr (mit freundlicher Genehmigung)

Von meiner Frau (Eva-Maria Berning) und meiner Schwiegermutter wurde – wenn sich das Gespräch über RoBoT entwickelteüber Herrn Kilfitt in der Familie nie gesprochen. Es ist meines Wissens heute niemand mehr da, den man diesbezüglich als Zeitzeugen fragen könnte. Interessant finde ich auch, dass nach Sichtung von Fotos aus der Gründungszeit der Firma, Herr Kilfitt nicht auf einem einzigen Foto zu endecken ist. Er schwebt sozusagen wie ein Geist darüber.

Die überlieferten Aussprüche aus der Familie bewegten sich meist in einem gewissen „anekdotischen“ Rahmen – wie zum Beispiel HHB’s Lieblings-Spruch: „Der „RoBoTist die einzige männliche Kamera der Welt“ – das scheint zu stimmen, ist aber relevant und vermittelbar nur in der deutschen Sprache, also der Sprache in der „die Kamera“ weiblich und „der Roboter“ männlich ist – im angelsächsischen Sprachraum sind die alle sächlich … und damit etwas umständlich zu vermitteln.

Ich habe mich immer sehr für Robot interessiert und auch Kontakte zu den Robot-Sammlern und -Forschern gepflegt. Aber letztlich bin ich davon ausgegangen, dass die bei den Herren Hans Grahner, Dr. Beltermann und Peter Lausch beschriebene Version – nämlich dass mein Schwiegervater die entscheidende Idee beigetragen haben soll – stimmt.

HB: Damit haben Sie meiner ursprünglichen Hoffnung auf neue Quellen nun einen sehr schnellen Garaus bereitet. Gibt es irgendwo noch Dokumente, die man heranziehen könnte – haben Sie Kontakte zu der heutigen Nachfolgefirma?

JB: Nachdem mein Schwiegervater die Firma verkauft hatte (1963/64) ging das Unternehmen ja 35 Jahre lang durch mehrere Zwischenbesitzer-Hände, ehe es 1999 im Jenoptik-Konzern landete. Die Archive sind irgendwann vernichtet worden – oder eben immer ein Stück mehr untergegangen. Das hat man versucht zu erforschen. Es soll nichts mehr da sein.

Meine Frau und ich – und auch noch andere Familienmitglieder (unter anderen ihre jüngste Schwester Veronika nebst Ehemann sowie einer meiner Söhne) – waren zur 75-Jahr-Feier der Firma Robot (nunmehr Tochter-Firma von Jenoptik in Monheim am Rhein) eingeladen. Das war unser letzter Kontakt. Meine Frau wurde da im Laufe der Feier über Ihre Erinnerungen an die Firma befragt. Vielleicht gibt es darüber noch eine Aufzeichnung bei der Firma?

Im Jahr 2002 tauchten bei der Auflösung von Räumen der OBECO ( moderne Kurzfassung des früheren Firmen-Namens „Otto-Berning & Co.“ des Vaters von HHB und Großvaters meiner Frau) einige Unterlagen aus der Anfangszeit der Robot-Firma auf. Die habe ich hier und will diese gerne einmal sichten.

Was veranlasst Sie denn, an der Geschichte mit der Federwerks-Idee zu zweifeln?

HB: Ich bin Physiker und Ingenieur. Zweifeln – sogar an eigenen Erkenntnissen – ist unsere zweite Natur in diesem Berufsfeld. Man braucht Beweise. Erschwerend ist hier die Lage: die Geschichte erscheint mir nicht logisch:

Wenn Sie ein gelernter Uhrmacher wären (wie es Herr Kilfitt war – und schon sein Vater war Uhrmacher!) – bräuchten Sie dann einen technisch nicht ausgebildeten Laien, der Sie auf die Idee bringt, dass ein FEDERWERK ein technisches Gerät antreiben könnte? Klar: es ist nicht ausgeschlossen, dass Berning der war, der auf diese Idee kam – aber es erscheint nicht besonders wahrscheinlich.

Ich liste hier kurz die Reihe der Fakten auf, aufgrund derer es mir unwahrscheinlich vorkommt, dass die Federwerks-Idee ursprünglich von Berning beziehungsweise NICHT von Kilfitt stammte:

  1. Die eben genannte Tatsache, dass Kilfitt gelernter Uhrmacher war … alle Uhren jener Zeit wurden von Federwerken angetrieben. Fünf Jahre hatte er alleine an der Kamera getüftelt.
  2. Bekannt und nicht bestritten ist, dass das Merkmal „Schnelligkeit“ bei seiner angestrebten Erfindung von Anfang an ganz im Vordergrund stand. Auch wurde schon ganz am Anfang der Begriff „automatisch“ verwendet – und die Belichtungsautomatik konnte damals noch nicht gemeint gewesen sein.
  3. Kilfitt arbeitete vor dem Kontakt zu Berning in einer Firma in Berlin, in der Fotoapparate, aber auch Filmkameras verkauft wurden, während das Medium Film geradezu einen Boom erlebte – auch Barnacks Leica war bei der Wahl des 35mm-Filmmateriales ja von den verfügbaren Film-Grundmaterialien (Meterware) ausgegangen. Die dort zu erwartenden riesigen Produktions-Mengen verhießen ein günstiges Filmmaterial für die Kleinbildkamera. Kilfitt ging aber mehrere Schritte weiter: Er verwendete für seinen 1931er Prototypen einen Verschluss-Typ, wie er für Filmkameras eingesetzt wurde: den Rotationsverschluss. Alle Filmkameras jener Zeit (nachdem niemand mehr die Handkurbel drehen mochte …) hatten aber als Antrieb des Filmstreifens einen FEDERMOTOR. Es liegt mehr als nahe, dass der bei Kilfitt auch VORGESEHEN war. Vor allem aber hatte der Prototyp auch schon die sehr komplizierte mechanische Steuerung für einen „Freilauf“ des Filmbandes beim Weitertransport fast ohne Reibung. Das hätte man für einen Weitertransport des Filmes von Hand bekanntlich nicht gebraucht. Auch war die Koppelung von Weitertransport und Verschluss-Aufzug schon detailliert vorgesehen, was zu diesem Zeitpunkt (vor 1931) noch nicht bei allen Fotoapparaten selbstverständlich war.
  4. Stellen wir uns das Zusammentreffen der beiden Männer H.-H. Berning und Heinz Kilfitt vor: Berning war von Kilfitts Idee so begeistert, dass er auch Vater (Otto) und Onkel (Hermann – der gleichzeitig sein Schwiegervater war) leicht von dem Projekt überzeugen konnte – das waren gestandene Geschäftsleute, die sicher nicht die Angewohnheit hatten, ihr Geld für Spinnereien in einer Branche, die ihnen fremd war, aus dem Fenster zu werfen. Was hätte an einer Kamera, an der im Grunde gegenüber der Konkurrenz nur etwas WEGGELASSEN war – kein Entfernungsmesser, kein Quer- und Hoch-Format (gut: etwas kompakter war der Apparat) so begeisternd sein können, dass ein sehr junger Mann ohne Fachkenntnisse sein Schicksal und ein rheinländischer Geschäftsmann sein Geld hinein steckt? Das kann ich mir nicht vorstellen.
  5. Last but not least: tatsächlich war Kilfitts Prototyp als Kleinbildkamera im Vergleich sehr kompakt – und wenn man den Prototyp von 1931 mit dem „ROBOT I“ (der damals natürlich nur ROBOT hieß …) mit dem Federmotor darin vergleicht, haben diese Kameragehäuse exakt die gleichen Dimensionen. Ich kann mir schwer vorstellen, dass es gelingen konnte in einem ohnehin schon zierlichen Gehäuse NACHTRÄGLICH einen – auch tatsächlich anforderungsgerechten – Federmotor (samt ergonomisch funktionsgerechtem Aufzugsrad!) zu integrieren, ohne einen Millimeter mehr in Länge-Höhe-Breite zu brauchen. Diesen letzten Punkt führt auch besonders P.-H. Pont in seinem Kilfitt-Buch an.

Ehrlich gesagt habe ich mich schon sehr amüsiert, wie hier das Klischee so zutraf, wie man es im Allgemeinen erwarten würde:

Die „ROBOT/Berning-Fraktion“ (Sammler, Forscher und auch die Wikipedia-Berning-Seite) vertritt die Legende der Berning-Erfindung beim Federmotor; die „Kilfitt-Fraktion“ (Sammler, Forscher und Autoren) vertritt den Standpunkt der Kilfitt-Gesamterfindung.

Während es im Web unterschiedliche Lesarten dazu gibt, hat HHB’s  jüngste Tochter Veronika in ihrer privatschriftlichen Familien-Chronik über die Entstehung der Firma RoBoT dieses Detail nicht erwähnt.

Ich finde das so wunderbar exemplarisch, dass es mich reizt nachzusehen, ob man das grundsätzlich klären könnte. Da keimte mit einem Kontak zur Unternehmer-Familie natürlich Hoffnung auf.

Herr Bahr, was hat man denn in der Familie zu dem Punkt erzählt?

JB: In der Familie galt wohl weitgehend die Auffassung, dass die Federwerks-Idee von HHB stammte – vielleicht war das auch von den Sammler-Forschern beeinflusst. Und man hörte es wahrscheinlich auch gerne. Warum sollte man das hinterfragen – klingt doch schön aus Sicht der Nachfahren! Ich kann mich aber an keine einzige familieninterne Aussage erinnern, dass HHB tatsächlich irgendwann gesagt haben soll, dass in Wahrheit ER die Idee mit dem Federmotor hatte.

HB: Da wir offensichtlich bisher noch keine Primär-Quelle zu dieser Frage besitzen, werde ich mich jetzt erst einmal auf die Kilfitt/Berning-Patente zum ROBOT konzentrieren: das sind schließlich per se Primär-Dokumente, die sich nicht nachträglich manipulieren lassen. Das Patentwesen ist in Europa schließlich seit über 150 Jahren sehr wohl geordnet und dokumentiert. Ich habe da auch genug Erfahrung, um das selbst recherchieren zu können und bin gespannt, ob wir daraus etwas schließen können.

Es wäre schön, wenn Sie an den im Jahr 2002 aufgetauchten Dokumenten dran bleiben könnten.

SCHNITT – so wurde es dann gemacht: beide Autoren haben erst einmal ihre Recherche-Hausaufgaben gemacht.

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Fig 4: Pause beim Recherchieren der ROBOT-Unterlagen – Quelle: fotosaurier

Gut sechs Wochen später schickte ich Jürgen Bahr das Ergebnis meiner Patentrecherche zu, zunächst zusammenfassend in Form einer Tabelle:

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Fig. 5: Alle Kilfitt/Berning-Patente laut DEPATISnet, die sich zwischen 1931 und 1938 auf den ROBOT bezogen haben. In den Spalten Erfinder und Anmelder habe ich strikt die Angaben aus der dortigen Bibliographie verwendet – source: fotosaurier

Und so ging der Autoren-Dialog weiter:

HB: Hallo, Herr Bahr. Ich habe meine Patentrecherche abgeschlossen. Dazu habe ich mich des digitalen Deutschen Patent-Portals „DEPATISnet“, des Europäischen „espacenet“ und auch direkt der nationalen „Canadian Patent Database“ bedient. Dabei habe ich sowohl alle Berning-Patente als auch alle Kilfitt-Patente gesichtet, die sich von 1931 bis 1938 (Ausscheiden von Kilfitt aus der Firma Berning) auf die Kamera bezogen haben. Die Tabelle habe ich Ihnen inzwischen zugeschickt.

JB: Das habe ich mir angesehen und ich habe eine Frage: warum sind bei den englischen Patentanmeldungen keine Erfinder genannt?

HB: Das liegt offensichtlich an dem – zumindest damaligen – britischen Patentsystem, das meines Wissens erst ab 1977 international harmonisiert wurde. Kilfitt selbst ist in der Bibliographie als Anmelder (und damit Patentinhaber) benannt. Im GB-Patent erklärte sich damals der Erfinder persönlich im Text der Patentsbeschreibung (Patent-Specification), wie im folgenden Bild zu sehen ist:

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Fig. 6: Titel-Ausschnitt aus dem zweiten Britischen Patent – Quelle: Europäisches Patentportal „espacenet“

Daher müsste bei den GB-Patenten, die beide mit dem Text „I, Heinz Kilfitt, …“ beginnen – mit dem Unterschied, dass im älteren Patent GB 411 347 die Scheibenstraße in Düsseldorf als Adresse genannt ist – ebenfalls Kilfitt als ERFINDER genannt werden.

Ich will hier kurz dieses Recherche-Ergebnis aus meiner Sicht interpretieren:

Vor 1931 hat Heinz Kilfitt nach meiner Recherche keine Patente für die Kamera angemeldet. Ich kenne auch keine Aussagen, mit welchen Ankündigungen der endgültigen Ausstattung Kilfitt den anderen Kamerabauern den Prototyp angeboten hat.

Alle deutschen Patentanmeldungen (6) wurden von Fa. Otto-Berning & Co, Schwelm, (in dieser väterlichen Firma war das RoBoT-Entwicklungs-Büro in Düsseldorf, Scheiben-Str. eine externe Abteilung) angemeldet und nennen Heinz Kilfitt als alleinigen Erfinder. Patentrechtlich (es ist ja ein Persönlichkeitsrecht) ist diese Tatsache sehr wichtig. Man kann ja auch mehrere Erfinder nennen.

Bis Februar 1934 (also bis kurz vor der öffentlichen Vorstellung des ROBOT mit Motorantrieb auf der Messe und in Zeitungsanzeigen) taucht das Federwerk nicht EXPLIZIT in den (deutschen und internationalen) Patenten auf.

Die Nennung des Erfinders Heinz Kilfitt als alleinigen Erfinder stärkt Kilfitts rechtliche Position gegenüber der Firma Berning. Auch wenn H.-H. Berning selbst noch in diesen Dingen unerfahren gewesen sein sollte: für den Geschäftsbetrieb und das Kaufmännische haben Vater (Otto) und Onkel (Hermann) ja klugerweise anfangs eine schützende Hülle über den jungen Firmengründer gespannt – und beide Senioren waren in ihren Firmen erfahren in Patentdingen, die sicher auch von einer Anwaltskanzlei unterstützt und beraten waren. Immerhin ging es hier um viel Geld!

Ab Februar 1934 wird das Federwerk in den Patenten offen gelegt. Das ist völlig im üblichen Rahmen: man vermeidet die Beschreibung einer Kern-Erfindung, die die Erfindung für den Markt besonders interessant macht, bevor das Produkt sowieso öffentlich vorgestellt oder geliefert wird. Der Grund: ab der „Offenlegung“ der Patentschrift (1 Jahr nach der Anmeldung) kann die Konkurrenz „mitlesen“ und gegebenenfalls eigene „Umgehungslösungen“ suchen oder finden, um die Neuheit zu kontern.

Diese Alleinerfinder-Position Kilfitts bleibt bei den Patenten ab 14./15.2.1934, in denen das Federwerk offen gelegt wurde, uneingeschränkt erhalten. Wäre die Basis-Idee des Federwerks tatsächlich primär von H.-H. Berning gewesen, wäre es eine erstaunliche Schwächung der rechtlichen Position der EIGENEN Firma gegenüber Kilfitt gewesen, dann NICHT Berning als Mit-Erfinder der Kamera zu nennen. Das geschah aber nicht.

Das würde auch dann gelten, wenn die „Idee“ des Federwerk-Filmtransportes in einer mündlichen Besprechung initiativ als „Idee“ durch Berning eingeflossen wäre. dabei muss man ja sagen: als Anmelder hatte die Firma Berning die Macht und die Kontrolle über den Inhalt und die Rechte aus der Anmeldung.

Also ist aus den Grund-Aspekten des Patentrechtes allein nahezu sicher davon aus- zugehen, dass Kilfitt das Federwerk seinerseits bereits im Basis-Paket der Kamera-Ausstattung vorgesehen hatte. Aber eine absoluter Beweis ist auch dies nicht, denn:

Selbstverständlich konnten die rechtlich-wirtschaftlichen Verhältnisse zwischen Kilfitt und der Firma Berning bzw. dem Gründer H.-H. Berning VERTRAGLICH ZUSÄTZLICH und anders geregelt sein – durch Anstellungsverträge, gesonderte Verträge über das geistige Eigentum und dessen Nutzung und auch durch den Gesellschaftervertrag der Fa. Berning, da ja H. K. auch Gesellschafter (40%) gewesen sein soll.

Auf privatschriftlicher Vertragsbasis könnte also dennoch im Grunde alles offen sein – ohne Kenntnis dieser Verträge kann man das Thema rechtlich-wirtschaftlich nicht abschließend beurteilen.

Trotz dieser Einschränkung hat nach der Patent-Lage – unter Annahme eines allgemein üblichen Geschäftsgebarens der Beteiligtenmit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Heinz Kilfitt die Federmotor-Idee gehabt.

JB: Welche Rolle können die ausländischen Patentanmeldungen in diesem Zusammenhang spielen?

HB: Zur Frage „Wer hat die Idee gehabt“ spielen die aus meiner Sicht zunächst keine Rolle.

Ich habe meine Schlussfolgerung aus den deutschen Patentanmeldungen gezogen, weil diese fast bei allen ausländischen Anmeldungen auch als Priorität genannt und eingetragen sind – mit Ausnahme des Kanadischen Patentes. Das spielt – wie das Schweizerische Patent – wahrscheinlich eine Sonderrolle, mit der ich mich hier aber gar nicht befassen möchte. Diese beiden Anmeldungen haben vermutlich mit den ursprünglichen Erfinderrechten gar nichts zu tun – die waren ja jeweils längst dokumentiert.

JB: Welche Rolle könnten sie gespielt haben?

HB: Das wird jetzt rein spekulativ! Die Kanadische Anmeldung hat Herr Kilfitt im September 1934 auf sich als Anmelder/Patentinhaber UND Erfinder getätigt. Davon muss Berning nicht unbedingt etwas gewusst haben. Sie enthält übrigens die umfangreichste und detaillierteste Beschreibung der Kamera sogar bis hin zu Zubehördetails!

Und schon davor, im Juli 1934, hatte Firma Berning eine Anmeldung in der Schweiz getätigt, ohne Kilfitt als Erfinder zu nennen – bzw. mit der Nennung der Firma als Erfinder. Sowas ist ja rechtlich bei uns heute auch möglich – besonders bei Arbeitnehmer-Erfindungen. Die Erfindung MUSS ja an die Firma übertragen werden, wenn die sie beansprucht.

Der Interpretations-Spielraum ist da groß. Es könnten quasi „Rückfall-Patentanmeldungen“ sein, die jeweils für den Fall gemacht wurden, dass in der Geschäftsbeziehung der Partner etwas schief ginge. Es kann genauso gut zwischen den Partnern vereinbart und abgesprochen gewesen sein. Ich habe keine Informationen darüber gefunden.

JB: Ihre Schlüsse aus der Patentlage wirken überzeugend auf mich. Ich bin bisher noch nicht zu einer gründlichen Auswertung des kleinen Aktenfundes aus Schwelm im Jahr 2002 gekommen. Ich sende Ihnen die Papiere jetzt einfach zu und wir besprechen dann gemeinsam, ob sich daraus neue Aspekte ergeben.

SCHNITT – so wurde es gemacht und eine Woche später meldete ich mich nach der interessanten Lektüre der Unterlagen, die Herr Bahr mir geschickt hatte wieder:

HB: Der Original-Aktenfund aus dem Jahr 1934 lieferte leider keine neuen Erkenntnisse in Bezug auf die Frage der Federmotor-Idee. Das interessanteste Fundstück in dem Konvolut, das Sie mir zugeschickt haben, ist diesbezüglich die Kopie des Interviews mit H.-H. Berning im „Südkurier“ (Konstanz) vom 14.11.1981, 17 Jahre nach seinem Rückzug  aus und Verkauf der Firma ROBOT. Diese Interview kannte ich bisher nicht.

In diesem Zeitungsartikel, der das Interview summarisch zusammenfasst und nicht im Interview-Wortlaut wiedergibt, findet sich folgende Passage über die Entstehung des ROBOT (Sie hatten mir ja die Stelle extra angestrichen):

Interview-Südkurier-14.11.1981

Fig. 7: Ausschnitt aus dem Bericht über das H.-H. Berning-Interview am 14.11.1981 im Südkurier, Konstanz – Quelle: fotosaurier , Repro nach einer Kopie der Zeitung

Mir erscheint das hier fast grotesk, dass Herr Berning hier den Namen des „Tüftlers“ – nämlich Kilfitt, der die Grundlage seines Unternehmer-Wohlstandes geschaffen hatte – unterdrückt, ihm aber in der Sache selbst alle Ehre gibt: die Erfindung einer Kamera, die Filme selbständig transportiert.

Ich gehe einmal davon aus, dass dieser Text von HHB inhaltlich autorisiert erschienen ist. Wie sehen Sie das?

JB: HHB war alles andere als naiv, er galt als sehr guter, gewiefter – ja sogar sehr cleverer – Geschäftsmann. Unter dieser Annahme, dass dieser Artikel im Südkurier im Detail autorisiert war, ist das für mich persönlich das „letzte Puzzlestück“ in dieser Recherche, das das Bild vervollständigt:

Fazit – Ja, Kilfitt hatte von Anfang an die Idee des Federmotors im „ROBOT“.

Hätte H.-H. Berning ausgerechnet die Idee für das WICHTIGSTE Merkmal für den Erfolg des Produktes selbst gehabt – er hätte diesen Umstand historisch nicht einfach so untergehen und Spekulationen anheim fallen lassen … Und – mal ehrlich – wäre Kilfitts Leistung ohne dieses Hauptmerkmal 40% der Anteile an der Firma Wert gewesen (die H.K. ja gehabt haben soll!)?

Ich habe auch noch einmal gründlich nachgedacht: aber es scheint keine lebende Personen mehr zu geben, die man darüber hinaus heute noch fragen könnte. Haben Sie einmal versucht, in der Kilfitt-Familie nach Spuren zu suchen?

HB: Gut, dass Sie das ansprechen, Herr Bahr. Nein, ich habe das meinerseits nicht mehr versucht. Der Grund: Patrice-Hervé Pont, der ja ein kundiger und begnadeter Rechercheur in der Foto-Historie ist, hatte das anscheinend für sein KILFITT-Buch, das 2010 in französischer Sprache erschien, versucht. Er schreibt auf Seite 6 des Buches, dass die Familie Kilfitt leider nicht zur Bereicherung seines Buches („enrichir la documentation“) beitragen wollte. Wir haben meiner Meinung nach nicht das Recht, Privatpersonen wiederholt in einer solchen Angelegenheit zu kontaktieren, wenn bekannt ist, dass sie das nicht wünschen.

Allerdings: Wenn jemand dieses liest, der zu dem Thema etwas beizutragen hat, dann würde ich mich freuen, wenn er sich melden würde: entweder über die Kommentar-Funktion oder die Kontaktadresse im Impressum.

JB: Das ist ein gutes Schlusswort.

HB: Dann sind wir am Ende dieser Reise angekommen, die wir ein halbes Jahr lang gemeinsam gemacht haben. Es war spannend – und ich habe dabei viele Erkenntnisse gewonnen und es sind so viele neue Fragen aufgekommen, dass ich sicher noch einmal auf das Lebenswerk von H.-H. Berning aus anderen Blickwinkeln zurück kommen werde.

Berlin/Radolfzell, im April 2021

NACHTRAG:

Nachdem wir unsere Geschichte veröffentlicht hatten, haben wir die klassischen ROBOT-Chronisten in Deutschland (Hans Grahner, Michael Ensel und Dr. Beltermann) und auch weitere Foto-Historica-Experten nach ihrer Meinung dazu befragt (mit Pont und  Bellon haben wir leider noch keinen Kontakt herstellen können).

Der entschiedenste Einwand kam danach von Hans Grahner, der uns mitteilte, er könne in unseren Argumenten keinen endgültigen „Beweis“ sehen. An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass wir in unserem Text selbst festgestellt haben, dass trotz der Stärke der gefundenen Indizien dies kein „endgültiger Beweis“ sein könne und vielleicht nie sein werde, solange keine neuen primären Quellen auftauchen. Also nennen wir es ab jetzt einen „Indizienbeweis“.

Herr Grahner wiederholte die bekannten Argumente für seine Sicht der Dinge, und er machte außerdem per Mail an uns eine überraschende Mitteilung: er habe 1985 im Zuge der Recherchen für sein erstes ROBOT-Buch mit Herrn H.-H. Berning ein Interview geführt, in dessen Verlauf Herr Berning festgestellt habe, dass er die entscheidende Idee des Federwerks beigetragen habe – Herr Kilfitt habe nur die Konstruktion dazu durchgeführt. Die Idee alleine sei eben nicht patentfähig (stimmt!), deshalb sei Herr Kilfitt patentrechtlich der alleinige Erfinder (dieser Standpunkt ist im gegebenen Zusammenhang allerdings nicht korrekt – eine Begründung steht am Ende dieses Textes).

Der genannte Zeitpunkt für das Interview war ein Jahr vor H.-H. Bernings Tod und vier Jahre vor dem Erscheinen des ersten Buchs von Hans Grahner (ROBOT – Geschichte und Technik, Aachen, 1989). Nach erneuter sorgfältigster Überprüfung dieses Buches und auch des zweiten, 2002 erschienenen, Sammler-Buches stellen wir fest, dass ein solches Interview in beiden Büchern nicht als Quelle genannt wird. Das ist bedauerlich, denn es wäre bei der extrem dünnen Primär-Quellen-Situation in diesem Falle für alle Interessierten eine wichtige Information gewesen, die wir nun – quasi beiläufig – 36 Jahre später erhalten.

Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass wir Herrn Grahners neue Information für unglaubwürdig halten – es ist nur so, dass wir Herrn Bernings Aussage nach dem umfangreichen Indizien-Check für wahrscheinlich unzutreffend halten, nachdem Herr Berning vier Jahre vorher (14.11.1981) im Interview mit dem Süd-Kurier sich entgegengesetzt zitieren ließ – und der Inhalt dieses Interviews damals auch zeitnah veröffentlicht wurde.

Nun haben wir auch noch zusätzlich das Interview zum 80sten Geburtstag von Heinz Kilfitt im Münchner Merkur zu berücksichtigen, in dem Kilfitt die Idee des Motorantriebs klar für sich beansprucht, und das die ROBOT-Nachfolgefirma (robot visual systems im Jenoptik-Konzern) in der Jubiläums-Schrift „Den Augenblick festhalten“ zum 75sten ROBOT-Firmen-Jubiläum 2008 zitiert mit dem Satz: „Es wäre schön, … wenn es eine Kamera gäbe, die man beim Fotografieren am Auge lassen könnte, ohne sie jedes Mal beim Filmtransport wegnehmen zu müssen.“

In dieser internen Firmen-Denkschrift (ohne ISBN-Nr. – das 135seitige Buch liegt uns vor) wird die Entstehung der Kamera sehr sachlich und konsequent so beschrieben, dass damit Heinz Kilfitts vollständiges Konzept einer motorisierten Kamera umgesetzt wurde. Wir sehen darin einen ähnlich sachlich-logischen Umgang mit der Materie, wie wir ihn uns auf die Fahne geschrieben haben.

Um es noch einmal zusammen zu fassen: es sind heute insgesamt 4 Interviews bzw. Zeitungsartikel zwischen 1978 und 1985 bekannt. Zwei Interviews mit Heinz Kilfitt (Münchner Merkur 1978 und Salzburger Nachrichten 1980), in denen dieser die Idee des Federmotors für sich beansprucht, was durch die gesamte uns bekannte sachliche „Indizienlage“ gestützt wird. Von zwei Interviews mit H.-H. Berning (Südkurier, 1978 und mit H. Grahner, 1985) spricht dieser im ersteren Kilfitt die Federwerks-Idee zu (dass der zusammenfassende Zeitungstext das Gespräch korrekt wiedergibt und autorisiert war ist ebenso wahrscheinlich wie die Möglichkeit, dass er im Wortlaut nicht autorisiert gewesen wäre) – im zweiten Interview, das Hans Grahner kürzlich als seine Quelle offenbarte, soll er die Idee für sich beansprucht haben. Eine Autorisierung dafür seitens H.-H..Berning ist auch hier nicht vorliegend bekannt. Zu diesem Zeitpunkt war Heinz Kilfitt bereits verstorben – das Erscheinen des ersten Buches von H. Grahner (1989) haben beide Herren nicht erlebt.

Tatsächlich müssen wir wohl damit leben, dass über den „Indizienbeweis“ und Wahrscheinlichkeits-Aussagen hinaus keine absolut sichere  Aussage mehr möglich sein wird. Glücklicherweise gibt es aber zwei Lebenswerke, die in ihrer jeweiligen Art und Größe davon unbeeinflusst Bestand haben werden:

  • das Lebenswerk des begnadeten Konstrukteurs Heinz Kilfitt, das bei Weitem nicht nur aus ROBOT bestand,
  • und das Lebenswerk des erfolgreichen Unternehmers H.-H. Berning, das in großer Nachhaltigkeit bis heute fortgeführt wurde und Bestand hat.

Leider muss man aus dem Verlauf der bekannten Ereignisse schließen, dass das gemeinsame Werk am Anfang beider Laufbahnen die Menschen nicht dauerhaft zu Freunden werden ließ. „Unkomplizierte Charaktere“ waren wohl beide nicht – aber das spielt hier keine Rolle, beweist in der Sache nichts – und geht uns auch nichts an …

Das Literaturverzeichnis wurde dem neuen Stand entsprechend bereits ergänzt und korrigiert, wo es nicht korrekt war.

P.S. – zur Rolle des Erfinders im patentrechtlichen Sinne:

Ein Patent ist ein persönliches Recht (Privileg). Es muss einerseits eine Neuheit in seiner Art darstellen („Die Idee“) und andererseits realisierbar sein: die offenbarte „Konstruktion oder das Verfahren“ müssen ausreichend nachvollziehbar dargelegt werden.

Richtig ist, dass eine bloße „Idee“ – ohne die Anleitung zu Ihrer Realisierung – nicht patentfähig ist. Die schönste Konstruktion nützt jedoch auch nichts, wenn die entsprechende „Idee der Neuheit“ nicht dahinter steht – also die Idee, die aus dem besonderen Konstrukt ein patentwürdiges Ding macht. Es ist also falsch, dass nur die Konstrukteurs-Tätigkeit als Erfinder-Eigenschaft zählt.

Es ist absolut unglaubwürdig, dass ein Unternehmer auf seinen anteiligen Erfinderstatus verzichten würde, da er damit seine rechtliche und wirtschaftliche Position dramatisch schwächen oder verschlechtern würde. Wer täte das – vor allem, wenn er selbst Anmelder und Inhaber des Patents ist. Das können wir uns – speziell bei den gestandenen Kaufleuten der Berning-Familie – nur schwer vorstellen.

Literaturverzeichnis:

  1. Verschiedene persönliche Mitteilungen durch Herrn Jürgen Bahr von Dez. 2020 bis April 2021.
  2. Website „www.robot-camera.de“ von Michael Ensel
  3. Hans Grahner, ROBOT – Geschichte und Technik, Eigenverlag, 1. Auflage, Aachen 1989 (ohne ISBN-Nr.)
  4. Hans Grahner, Robot – Das Sammlerbuch, Eigenverlag, 1. Auflage 2002, Aachen (ohne ISBN-Nr.)
  5. Artikel von Dr. Beltermann in Photografica Cabinett, https://www.cabinett.de/heft-7/
  6. Blog-Artikel „Robot Royal III“ – 2. Teil in Website „KAMERAS“ von Peter Lausch, https://www.lausch41.com/robotroyal2.htm
  7. Patrice-Hervé-Pont, Kilfitt / Zoomar, 2010, Club Niepce Lumière, Ecully (F), ISBN 978-2-953-1991-4-7
  8. Patentliteratur aus den digitalen Archiven DEPATISnet, espacenet und Canadian Patent Databases
  9. Artikel im Münchner Merkur zum 80. Geburtstag von Heinz Kilfitt, 1978 – zitiert in Nr. 13 dieses Literaturverzeichnisses
  10. Artikel über Heinz Kilfitt in Sonderbeilage der Salzburger Nachrichten 31.3.1980
  11. Interview mit H.-H. Berning, Südkurier, Konstanz, vom 14.11.1981
  12. Mitteilung von Herrn Grahner im Mai 2021 über sein Interview im Jahr 1985 mit H.-H. Berning – wörtlicher Inhalt dieses Interviews ist nicht bekannt.
  13. Den Augenblick festhalten / Capture the Moment – Firmenschrift zum 75. Robot-Jubiläum der ROBOT-Nachfolgefirma robot visual systems, Monheim, 2002, Redaktion Sabine Preller (ohne ISBN-Nr.)

Bemerkung: es gibt natürlich viel mehr Literatur zum Thema ROBOT (siehe Literaturverzeichnis im Buch von Herrn Grahner), ich habe hier nur angegeben, welche Literatur beziehungweise Mitteilungen wir heran gezogen haben, um diesen Text zu verfassen.

 

3 Gedanken zu „ROBOT – Wer hatte die Idee? Kilfitt oder Berning? Zwei Ahnenforscher kommen gemeinsam zu neuen Erkenntnissen …“

  1. Sehr geehrter Herr Börger,

    mit Spannung habe ich Ihren Artikel „ROBOT – Wer hatte die Idee? Kilfitt oder Berning?“ gelesen. Recht herzlichen Dank an Sie und Herrn Jürgen Bahr für die ernsthaften Bemühungen dieses Geheimnis zu lüften. Als Robot-Sammler habe ich mir natürlich ebenfalls diese Frage gestellt und vor langer Zeit recherchiert. Meine Nachforschungen habe ich nie öffentlich gemacht. Jetzt nach Ihrer ausführlichen Recherche und der erneuten Debatte darüber möchte ich mein Wissen nicht weiter verbergen. Ich gehöre weder der Kilfitt- noch der Berning-Fraktion an, weil weder die eine noch die andere stichhaltige Beweise über diese Frage abliefern kann. Wer sollte uns denn die Antworten bringen, wenn die an der Kamera beteiligten Personen zu Lebzeiten diese Frage nicht eindeutig beantworten konnten oder wollten? Sammler, die sich aus welchen Sympathien auch immer auf das eine oder andere Lager begeben haben, erbrachten bisher ebenfalls keine Beweise für ihre Meinungen. Alles, was bisher veröffentlicht wurde, betrachtet in den meisten Fällen, ja fast ausschließlich nur die Federwerkkamera Robot. Das ist eine sehr einseitige Betrachtung. Ich bin selbst Erfinder und deswegen ging ich mit meinen Recherchen einen ganz anderen Weg: Ich stellte mir die Frage, was vor der Veröffentlichung des Kilfitt-Patents hinsichtlich des automatischen Filmvorschubs mittels Federwerk in der Kameraindustrie unternommen wurde. Anders als von Ihnen dargestellt, komme ich bei meinen Recherchen auf ein ganz anders Ergebnis bezüglich Patente, die das Federwerk in einer Kamera betreffen.
    Weder Heinz Kilfitt noch Hans-Heinrich Berning hatten die Grundidee eines durch Federkraft angetriebenen Filmvorschubs. Es gab im Patentwesen bereits in den frühen zwanziger Jahren und sogar lange davor, zahlreiche Patente für einen automatischen Filmvorschub mittels Federwerk für eine Kamera bzw. Rollfilmkamera. Mehr als dreißig Jahre vorher erfand Francisque Pascal eine Federwerkkamera, die 1898 auf den Markt kam. Ebenfalls erschien in den frühen 20er Jahren des 20.Jahunderts die Debrie Sept., die ihren Ursprung in der im Jahre 1916 von Guiseppe Giovani Battista Tartara patentierte Kamera hatte. Eine aus Mailand stammende Kamera „Micromeccanica“ wurde am 27. Juli beim Deutschen Patentamt als Patent eingereicht. Auch wenn sich von diesen Erfindungen keine richtig durchsetzen konnte, bin ich mir sicher, dass Heinz Kilfitt, gerade mit den Vorhaben eine Kamera zu konstruieren davon wusste. Als Abteilungsleiter in der Kameraabteilung des Photographischen Instituts (Rudolf Neumann /Berlin) kannte er all die Apparate und die Kameraneuheiten der damaligen Zeit. Ebenso kann man davon ausgehen, dass er sich mit den Patentwesen bzw. mit der Patentrecherche auskannte. Die Fotoindustrie hatte in den frühen 30er Jahren gerade in Deutschland eine regelrechte Blütezeit. Es gab mehrere deutsche Firmen die sich mit der Idee einer Federwerkkamera lange vor Kilfitt beschäftigten.
    Da gibt es zum Beispiel das Patent von Rudolf Gauthier, der seine Federwerkkamera bereits vier Jahre vor der Einreichung der Berning /Kilfitt Federwerk- Kamera als Patent einreichte. Am 16. Dezember 1930 reichte Alfred Gauthier ein Patent für eine Rollfilmkamera ein.
    In der Einleitung steht:
    „Es sind Filmkammern für Einzelaufnahmen bekannt bei denen der Film durch einen für mehrere Aufnahmen ausreichenden Federzug jeweils bei der Betätigung des Verschlusses um ein Bildfeld vorgerückt wird. Darunter sind solche bei denen der Film vor der Belichtung um eine kleine, nach der
    Belichtung um eine größere Strecke aufgewickelt wird. …Vorteilhafterweise wird man die Federanordnung so ausführen dass ein Aufzug der Federn für den Durchzug des ganzen Films genügt.“
    Im Patentanspruch steht:
    „Rollfilmkamera, deren Film durch ein für eine längere Bildreihe ausreichendes Federwerk bei Betätigung eines auch die Belichtung bewirkenden Auslösers in zwei vor und nach der Belichtung liegenden Absätzen um je einen Bildabschnitt weitergeschaltet wird, dadurch gekennzeichnet, das Auslösehebel im Wirkungshub durch einen von einer Filmmeßtrommel gesteuerten Anschlag angehalten wird, bis der Film in der Belichtungsstellung steht, dann in Weiterbewegung den Verschluß auslöst und schließlich im Rückhub in bekannter Weise den Filmvorschub freigibt.“
    In der Erfindung beschreibt Gauthier in der Hauptsache alle technischen Grundeigenschaften bezüglich Filmtransports in Verbindung mit Auslöser und Verschluß der späteren Robot I.
    Desweitern reichte Dr. August Nagel seine Federwerkkamera am 26. Juni 1931 beim Deutschen Patentamt ein. Ein weiteres Mal 1935 unter Kodak. Es folgte Zeiss Ikon, der seine Version einer Federwerkkamera am 23. August 1933 als Gebrauchsmuster einreichte. Diese Kamera wird mit unterschiedlichen Verschlüssen beschrieben. Sogar das quadratische Format wird genannt. „Das Aufnahmeformat einer solchen Kamera ist zweckmäßig quadratisch“. Zeiss Ikon legte mit der Einreichung am 30. August 1933 als Patent nach. Darin werden auswechselbare Objektive und verschiedene Verschlüsse genannt. Am 24. August 1935 reichte Zeiss Ikon ein weiteres Patent ein. Die erste Kamera, die das Unternehmen Otto Berning am 8.Januar 1932 beim Patentamt einreichte beschreibt lediglich eine Rollfilmkamera mit einigen sehr interessanten technischen Details. Ein Federwerk wird darin eindeutig nicht genannt. Erst zwei Jahre später nämlich am 15. Februar 1934 reichte das Unternehmen Otto Berning ein Patent ein, das eindeutig eine Federwerkkamera beschreibt.
    Eine Erfindung des zweiten Innovationsgrads, also eine völlig neue Erfindung die nicht offensichtlich aus bereits bestehenden Ideen oder Patenten abgeleitet wurde, war die von Heinz Kilfitt vorgestellte Kamera mit Federwerk also keinesfalls. Die Kamera stellte nur eine Änderung und deutliche Verbesserung bereits bestehender Patente dar. Aufgrund dieser Sachlage frage ich mich, ob es wirklich noch wichtig ist die Frage nach der Idee beantworten zu können, wenn es das Federwerk und den automatischen Filmvorschub schon lange vorher in der Kameraindustrie bzw. in Patenten gab? Ist das Wort Idee als solches überhaupt noch das richtige Wort wenn man die bereits bestehenden Patente kennt und von der Existenz früherer Federwerkkameras wusste? Gerade im Patentwesen und gerade bei technischen Patenten ist es in den meisten Fällen so, dass Erfindungen auf bestehende Erfindungen entstehen. Ein Techniker als solcher endlich hat gar kein Interesse daran, technische Erfindungen zu sekretieren und ein Monopol auf sie zu gründen, denn mit solchen Bemühungen würde er den technischen Fortschritt nicht fördern und sich selbst im Wege stehen. Er hat aber die Möglichkeit, seine Konstruktion patentrechtlich zu schützen.
    Aufgrund dieser Sachlage tritt für mich die Frage, wer die Idee zur Federwerk-Robot hatte deutlich in den Hintergrund. Wenn es aber wirklich nur alleine um die Frage geht, wer die Idee an einen Federwerk in der Robot-Kamera hatte, kann ich mir aufgrund meiner Recherchen vorstellen das Heinz Kilfitt der Schöpfer war. Die bereits bestehenden Erfindungen und besonders die Erfindungen von Gauthier, Nagel, Zeiss Ikon, die deutlich vor Kilfitts Federkamera veröffentlicht wurden, könnten Kilfitt inspiriert haben von Anfang an so einer Kamera zu arbeiten bzw. die bereits bestehende Patente technisch zu verbessern, anders zu denken oder zu umgehen. Und das dauerte bekanntlich von der Vorlage der ersten Kamera Kilfitts ohne Federwerk bis zur Kamera Kilfitts mit Federwerk immerhin zwei Jahre.
    Die frühe Robot-Kamera war jedenfalls bereits in der Grundkonstruktion für einen automatischen Filmtransport geradezu prädestiniert. Also anders wie bei den bereits bestehenden Erfindungen aus der Zeit, wo das Federwerk komplett in das Innengehäuse verbaut ist. Sie musste auch nicht umkonstruiert werden. Die Tatsache, dass das Gehäuse in seinen Abmessungen für ein Federwerk nicht verändert werden musste ist damit zu erklären, dass bei seiner Konstruktion das zweiteilige Federwerk zur einen Hälfte nur geringfügig im Gehäuse integriert werden musste und zur anderen Hälfte auf das Gehäuse aufgesetzt ist. Es wäre mehr als unwahrscheinlich und ein absoluter Glücksfall oder besser ein Geniestreich gewesen, eine Kamera ohne Federwerk fertig zu entwickeln, die man dann einfach so, ohne grundlegende Veränderung der Außenmaße, ja sogar der ganzen inneren Grundkonstruktion, in eine Kamera mit automatischen Filmvorschub hätte verändern können, weil es plötzlich eine „Idee“ dafür gab.
    Trotz der ganzen Sachlage, die in Summe eher für Heinz Kilfitt sprechen, werden wir wohlmöglich nie erfahren wie es sich damals genau zugetragen hat.

    Für die Gesamtkonstruktion Kilfitts spricht:
    • Durch seinen erlernten Beruf kannte er sich mit Technik und Mechanik aus.
    • Als Abteilungsleiter der Photographischen Instituts Neumann in Berlin (Abteilung Kamera) kannte er die Apparate der damaligen Zeit und somit den Stand der Technik.
    • Er kannte das Patentwesen.
    • Er kannte mit hoher Wahrscheinlichkeit die bereits bestehenden Federwerk- Erfindungen. Zumindest muss er sich spätestens dann damit beschäftigt haben als er die Idee hatte, eine eigene Kamera zu konstruieren.
    • Warum sollte er mit all diesem Wissen und den Erkenntnissen eine Kamera ohne Federwerk denken.
    • Die Federwerkkonstruktion der Kamera beruht auf der Grundkonstruktion ohne Federwerk. Sie wurde sozusagen in mehreren Etappen geschaffen.

    Das Wichtigste aber ist:
    Die Kamera war am Ende so genial durchdacht, das keiner der Großunternehmen wie Gauthier, Zeiss Ikon, Dr. August Nagel und Dr. August Nagel/Kodak trotz bereits bestehender Patente ihr das Wasser reichen konnten. Das ist eine große Leistung gewesen.
    An der Verwirklichung der Kamera sind maßgeblich folgende Personen beteiligt gewesen. Nur ihnen ist es zu gleichen Anteilen zu verdanken, dass diese außergewöhnliche Kamera entstand, zur Markreife gelangte und gebaut wurde. Da ist der innovative und einfallsreiche Heinz Kilfitt, der junge und mutige Jungunternehmer Hans-Heinrich Berning , der kluge, fürsorgliche Vater und erfolgreiche Unternehmer Otto Berning, der die Idee seines Sohnes eine eigene Firma zu gründen befürworte, finanziell unterstütze und trotz anfänglicher technischer Schwierigkeiten bis zuletzt an die Umsetzung dieser Kamera glaubte und es so überhaupt möglich machte, dass diese Kamera gebaut wurde. Ebenso sind der Bruder von Otto Berning, Hermann Berning der stets beratend und finanziell zur Seite stand und auch der begabte und tüchtige Mechaniker Franz Hörth zu nennen.
    Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte es ohne diese Personen eine ähnliche Kamera gegeben, nie aber den einzigartigen RoBot.

    Meine Quellen sind ausschließlich aus dem DEPATISnet. Die Recherche gestaltete sich als schwierig weil unter der Suche in Text oder in Titel „automatischer Filmvorschub, Federwerkkamera oder ähnl.“ nur wenige Ergebnisse angezeigt werden. Viele Patente mit Federwerk sind einfach nur unter Rollfilmkamera oder Kamera verzeichnet und davon gab es zu dieser Zeit eine Menge.

    Über die Erfindernennung im Deutschen Patentwesen noch folgende Anmerkung. Bis zum Jahre 1936 war eine Nennung des Erfinders in den öffentlichen Bekanntmachungen des DPMA gesetzlich nicht geregelt. Lediglich im Verwaltungswege war eine Anordnung möglich, den Erfinder auf der Patentschrift zu nennen. Erst nach der Vorgabe durch Art. 4 / Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) in der Londoner Fassung von 1934, der bestimmte, der Erfinder habe ein Recht darauf, als solcher auf der Patentschrift genannt zu werden, hat das Recht auf Erfindernennung Eingang in das deutsche Patentgesetz von 1936 gefunden.

    1. Lieber Herr Fischer,
      wir freuen uns über Ihren – sehr bereichernden – Kommentar, der ja eine großartige Erweiterung des Horizonts darstellt!
      Offensichtlich sind sie zum engeren Thema unseres Artikels ja weitestgehend zum selben Ergebnis gekommen wie wir – wie sollte das auch anders sein, wenn man die bekannten Vorgänge unvoreingenommen bewertet – gemeinsam auch die finale Einschätzung, dass nur ein Schluss mit hoher Wahrscheinlichkeit und nicht mehr mit absoluter Sicherheit möglich ist…
      In Ihrer Recherchearbeit sehe ich darüberhinaus ein EIGENES Thema mit hoher Relevanz! Ich hatte meinerseits auch schon den Schritt von der Cine-Kamera zur Still-Kamera nur als einen sehr kleinen, naheliegenden gesehen und hatte wohl auch schon anderswo von Federmotor angetriebenen Rollfilmkameras vorher auf dem Markt gelesen (nicht Kleinbild – aber das ist, da stimme ich Ihnen zu, ein sehr kleiner zusätzlicher Schritt … ). Ihre Mitteilung geht aber sehr weit darüber hinaus.
      Ich finde es schade, dass Sie das bisher nicht veröffentlicht haben und biete Ihnen an, dass Sie Ihre Erkenntnisse zu den marktgängigen Kameras und den Patenten in einem völlig eigenen Artikel in meinem Blog darstellen.
      Darüber hinaus haben wir bereits eine Zusage, dass dann demnächst (Termin noch offen) unser Thema in einer der einschlägigen Sammler-Magazinen veröffentlicht werden wird. Da würde ich mir dann Ihren Artikel ebenfalls als einen „TEIL 2“ vorstellen können.
      Herbert Börger

  2. Sehr geehrter Herr Börger,

    ihren Text „ROBOT – wer hatte die Idee?“ habe ich mit großem Interesse gelesen.

    Tatsächlich finde auch ich diese Frage ausgesprochen spannend,
    sehe sie aber doch noch nicht endgültig geklärt.

    Aber vorab: Es kann nur um die Frage gehen: Wer hatte die Idee/den Gedanken zum Federwerk ?
    Denn mit Sicherheit hat Kilfitt die Idee eines Federwerkmotors konstruktiv und technisch umgesetzt. Deshalb erscheinen mir die Namensangaben in den Patentschriften für die o.g. Frage ohne Belang zu sein. Erfinder im Sinne eines Patents ist schließlich nicht derjenige, der den bloßen Gedanken hatte, sondern derjenige, der auch eine konstruktive Lösung anzubieten hat.

    Sie schreiben
    unbestritten ist, dass der Prototyp, den H.K. bis 1931/32 erstellt hatte tatsächlich den Federmotor noch nicht enthielt. (… und nicht einmal das auf der Leipziger Messe 1934 vorgestellte Vorserienmodell enthielt das Federwerk!)

    Das ist auch mein Kenntnisstand und es spricht dafür, dass Kilfitt vor seiner Zusammenarbeit mit Berning die Idee eines Federwerks noch nicht hatte, auf jeden Fall noch nicht umgesetzt hatte.
    Sein Prototyp war deshalb nicht ohne Konzept oder nur eine „Leica mit vielen Weglassungen“, sondern die Idee einer sehr einfach zu bedienenden und taschenfreundlichen Kamera für den 35mm Film, die es so noch nicht gab.
    Der Begriff „automatisch“ tauchte da noch nicht auf.

    Nun war Berning kein Konstrukteur, aber Geschäftsmann mit einem klaren Blick auf das Thema „Marketing“ (im Rückblick zu erkennen an den gelungenen Werbekampagnen zur Robot I ). Er wird sich sehr genau überlegt haben, mit welchem Konzept kann ich eine Alternative und auch Mehrwert anbieten z.B. gegenüber der Leica oder anderen schon existierenden Kleinbildkameras. Da kann auch ein Nicht-Techniker gut auf die Idee kommen, dass zur einfachen Bedienung auch ein selbstständiger Filmtransport passen würde.

    Technisch umgesetzt hat das ganz sicher Kilfitt.

    Ich selber habe während der Vorarbeiten zu meinem 1. Buch im Juni 1985 ein Interview mit H.H. Berning geführt. In einem langen Gespräch zur Firmengeschichte hatte er sich dabei als Ideengeber fürs Federwerk beschrieben.
    Im Zeitungsartikel von 1981 erzählt er es scheinbar anders herum – oder aber der Journalist interessierte sich weniger für technische Einzelheiten, war eher an den gut lesbaren „Anekdoten“ interessiert.
    Ob der Text autorisiert war, wissen wir nicht – eher unüblich bei Privatpersonen.

    Also bleibt noch einiges zu forschen.
    In diesem Sinne

    Ihr Hans Grahner

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